Putins Rede zur Nation - Moskau setzt Abrüstungsvertrag «New Start» aus
In einer Rede kurz vor dem Jahrestag des Ukraine-Kriegs hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Aussetzung des letzten grossen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA angekündigt. Zudem beschuldigte der Kremlchef den Westen, am Krieg schuld zu sein.
Es handle sich nicht um einen Ausstieg, sondern um eine Aussetzung des «New Start»-Vertrags, sagte der Kremlchef in Moskau in seiner Rede an die Nation.
Einschätzung von Korrespondent Christoph Wanner
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Laut Moskau-Korrespondent Christoph Wanner,der unter anderem für «Die Welt» berichtet, hat der russische Präsident in seiner Rede das geäussert, was man von ihm erwartet habe: Rhetorik gegen den Westen. Dabei habe Putin wenig Neues gesagt. Aber das, was er gesagt habe, sei in radikaler Form dahergekommen.
Einen Hinweis, wonach Russland für den «Jahrestag des russischen Angriffs» am Freitag eine Eskalation des militärischen Konflikts in grosser Dimension plane, hat Wanner nicht gefunden. «Putin versucht eher, seine Ziele peu à peu zu erreichen.» Die genauen Ziele des Kreml-Chefs seien nur schwer abzuschätzen. Sicherlich gehe es Putin aber in erster Linie darum, sich die völkerrechtswidrig annektierten Ostgebiete endgültig einzuverleiben.
Putin warf den USA ein «Theater des Absurden» vor – mit Blick darauf, dass Washington unlängst Moskau beschuldigt hatte, keine Experten zur Inspektion der atomaren Verteidigungsanlagen ins Land zu lassen. Wenn in Zeiten solcher Spannungen jemand im Westen ernsthaft erwarte, dass Russland diesen Zugang gewähre, sei das «Blödsinn», meinte Putin.
Abrüstungsvertrag «New Start»
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Der Abrüstungsvertrag «New Start» wurde 2010 vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew unterzeichnet. Er trat 2011 in Kraft und wurde 2021 um fünf weitere Jahre verlängert, nachdem US-Präsident Joe Biden sein Amt angetreten hatte.
Der Vertrag beschränkt die Anzahl der strategischen Nuklearsprengköpfe, die die Vereinigten Staaten und Russland einsetzen können. Konkret haben sich Moskau und Washington verpflichtet, nicht mehr als 1550 strategische Atomsprengköpfe und maximal 700 Langstreckenraketen und -bomber einzusetzen.
Ferner erlaubt er sowohl amerikanischen als auch russischen Inspektoren jährlich 18 Überprüfungen, dass beide Seiten den Vertrag einhalten.
Die Inspektionen im Rahmen des Abkommens waren im März 2020 wegen der Corona-Pandemie allerdings ausgesetzt worden. Gespräche zwischen Moskau und Washington über die Wiederaufnahme der Inspektionen sollten im November letzten Jahres in Ägypten stattfinden. Doch Russland hat sie verschoben, und keine der beiden Seiten hat einen neuen Termin festgelegt.
Der Abrüstungsvertrag «New Start» ist das einzige noch verbliebene grosse Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland. Zusammen verfügen die beiden Länder über etwa 90 Prozent der nuklearen Sprengköpfe der Welt.
Zugleich bekräftigte er, dass Russland den US-Experten den Zugang nicht gewähre, weil auch russische Inspektoren angesichts westlicher Sanktionen keine Möglichkeit zur Einreise in die USA hätten. Die Aussetzung von «New Start» begründete Putin vor allem damit, dass etwa Frankreich und Grossbritannien ihre Atomwaffenarsenale weiter entwickelten und die Nuklearpotenziale gegen Russland ausrichten würden. Putin wertete auch Äusserungen der Nato zu «New Start» als Einmischung und Grund, den Vertrag zu überdenken.
Putin: Antirussische Sanktionen verfehlen ihr Ziel
Russland liess sich nach Worten Putins durch die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs nicht destabilisieren. Die antirussischen Sanktionen hätten das Ziel, die Menschen in Russland leiden zu lassen. «Solche Humanisten sind das», sagte Putin in seiner Rede zur Nation weiter. «Sie wollen das Volk zum Leiden bringen, um so unsere Gesellschaft zu destabilisieren. Aber ihre Rechnung ist nicht aufgegangen», sagte Putin.
So steht Russland wirtschaftlich da
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Der anfangs des Krieges erwartete heftige Wirtschaftseinbruch in Russland als Folge der westlichen Sanktionen ist bislang ausgeblieben. Allerdings steht das einst boomende Schwellenland vor einer Vielzahl von Problemen.
Wirtschaftswachstum: Im ersten Kriegsjahr 2022 ist das Bruttoinlandprodukt um 2.2 Prozent geschrumpft. Dabei hatten einige Experten aufgrund der westlichen Sanktionen mit einem Einbruch um mindestens zehn Prozent gerechnet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für dieses Jahr ein Mini-Wachstum von 0.3 Prozent voraus, dem 2024 ein Plus von 2.1 Prozent folgen soll. Nach Prognose der Ratingagentur Scope wird die russische Wirtschaft erst am Ende des Jahrzehnts auf das vor dem Einmarsch in die Ukraine erreichte Niveau zurückkehren.
Staatshaushalt: Wegen hoher Rüstungsausgaben und einbrechender Einnahmen aus Energieexporten steuert Russland in diesem Jahr erneut auf ein Staatsdefizit zu. Es soll höchstens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen, sagt Finanzminister Anton Siluanow. Experten sind da skeptischer, wurde doch allein im Januar ein Fehlbetrag von fast 25 Milliarden Dollar gemeldet, der zum Teil auf die sinkenden Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückzuführen ist.
Inflation: Die Inflationsrate lag im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 11.9 Prozent und damit um fast das Dreifache über dem von der Zentralbank angestrebten Ziel von vier Prozent. Für das laufende Jahr rechnet diese mit einer Teuerungsrate von fünf bis sieben Prozent, ehe im kommenden Jahr die Zielmarke von vier Prozent wieder erreicht werden soll. Mitte Februar lag die Inflationsrate bei 11.6 Prozent.
Doch die russische Wirtschaft und das Verwaltungssystem erwiesen sich laut Putin als viel stärker als vom Westen erwartet. Der Kremlchef begrüsste jedoch den Strukturwandel in der russischen Wirtschaft. Er sei längst überfällig gewesen. Gleichzeitig kündigte Putin eine Modernisierung der Armee und eine Unterstützung von Kriegsveteranen an. So sollen beispielsweise die Soldaten bis zu 14 Tage Fronturlaub erhalten.
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Archiv: Trotz Sanktionen ist die Wirtschaft mehrheitlich robust
Aus Tagesschau vom 20.02.2023.
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Westen ist schuld am Krieg
Putin gab dem Westen die Schuld am Krieg: «Sie haben den Krieg losgetreten», sagte er in Moskau. Russland versuche lediglich, die Kämpfe zu beenden, behauptete der Kremlchef. Einmal mehr sagte Putin, in der Ukraine sei ein «Neonazi-Regime» an der Macht. Die «militärische Spezialoperation» werde fortgesetzt. «Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen», sagte der 70-Jährige.
Fakt ist aber: Russland hat den Krieg in der Ukraine mit dem bewaffneten Überfall auf den souveränen Staat Ukraine am 24. Februar letzten Jahres gestartet. Bereits 2014 hatte Russland völkerrechtswidrig die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektiert.
Es ist unmöglich, unser Land auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Die russischen Truppen werden für die Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit kämpfen.
Putin warf dem Westen ferner vor, nach «grenzenloser Macht» zu streben. «Die Geldflüsse aus dem Westen in den Krieg nehmen nicht ab», sagte er weiter. Für den Westen stünden Billionen Dollar auf dem Spiel. Die westlichen Länder hätten schon vor langer Zeit damit begonnen, die Ukraine zu einer Art «Anti-Russland» zu machen.
US-Botschafterin in Moskau einbestellt
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Das russische Aussenministerium bestellte US-Botschafterin Lynne Tracy ein. Der Botschafterin sei mitgeteilt worden, dass der derzeitige aggressive Kurs der Vereinigten Staaten die Konfrontation mit Russland in allen Bereichen vertiefe und kontraproduktiv sei, erklärte das Aussenministerium in Moskau. Es warf der US-Regierung vor, ihre Verwicklung in den Ukraine-Konflikt auszuweiten.
Nach den Worten Putins steht die Existenz Russlands auf dem Spiel. Der Westen versuche, einen lokalen Konflikt in einen globalen zu verwandeln, sagte er vor dem Parlament. Zugleich versicherte Putin: «Es ist unmöglich, unser Land auf dem Schlachtfeld zu besiegen.» Die russischen Truppen würden für die «Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit» kämpfen.
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