Rishi Sunak hatte einen Plan. Doch dieser scheint nun zu scheitern. Mit einem Gesetzesentwurf wollte er Ruanda zu einem sicheren Drittstaat erklären. Dies hätte ihm erlaubt, illegal eingereiste Menschen nach Ruanda abzuschieben. Ein Umgehungsmanöver, mit dem er den Entscheid des obersten britischen Gerichts, Ruanda nicht als sicheres Drittland einzustufen, hätte umgehen können.
Wurde das Gesetz im Unterhaus noch durchgewunken, stösst es in diesen Tagen auf heftigen Widerstand: Ein Parlamentsausschuss hat sich gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen. Das Gesetz sei komplett unvereinbar mit den Menschenrechtsverpflichtungen des Landes. Kritik kommt von der Opposition, von Menschenrechtsorganisationen, aber auch von der anglikanischen Kirche und sogar aus seiner eigenen Partei.
Diese Übung in einem Wahljahr abzubrechen, wäre für die konservative Regierung ein grosser Gesichtsverlust.
Doch weshalb hält Sunak an seinem Ruanda-Abschiebeplan fest? Die illegale Migration über den Ärmelkanal zu stoppen, sei eines der fünf grossen Wahlversprechen von Premierminister Rishi Sunak, sagt Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser. «Der konservativen Wählerschaft sind diese Boote im Ärmelkanal ein Dorn im Auge. In einem Wahljahr kann er diese Klientel vor allem im Süden Englands nicht enttäuschen.»
Dazu komme, dass dieses Projekt schon sehr lange laufe und schon viel Energie investiert worden sei. Die britische Regierung hat Ruanda bereits zwischen 250 und 300 Millionen Franken bezahlt. «Diese Übung in einem Wahljahr abzubrechen, wäre für die konservative Regierung ein grosser Gesichtsverlust», so Wülser.
Das Projekt spaltet Sunaks Partei
In dem Parlamentsausschuss, der sich gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen hat, sitzen auch Vertreterinnen und Vertreter der regierenden Tory Partei. «Sunak spaltet mit diesem Projekt seine Partei», sagt Wülser. Derzeit kämpfe der Premierminister an zwei Fronten. «Für die konservativen Hardliner geht das Gesetz viel zu wenig weit. Sie möchten jegliche Rekursmöglichkeiten vor Gerichten, insbesondere vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, ausschalten.»
Auf der anderen Seite gibt es in der konservativen Partei auch gemässigte Stimmen: «Sie finden es schockierend, dass man auf dem Gesetzesweg Gerichtsentscheide kippt. Es ist genau jene Einmischung der Politik in die Justiz, die afrikanischen Staaten gelegentlich vorgeworfen wird», so Wülser. Konservative Lords im Oberhaus seien besorgt, dass Grossbritannien international an Ansehen verlieren könnte, wenn die Regierung die Menschenrechte auf diese Weise aushebelt.
Kein Vorteil für die Parlamentswahlen
All das ist für Sunak nicht sonderlich positiv. Schon gar nicht für die Parlamentswahlen 2024. Umfragen deuten derzeit auf einen Sieg der Opposition – der Labour-Partei – hin. Grossbritannien-Korrespondent Patrick Wülser sieht dafür vor allem einen Grund: «Von seinen Wahlversprechen konnte Sunak die Mehrheit nicht erfüllen.»
Die Lebenshaltungskosten in Grossbritannien seien immer noch sehr hoch, die Wirtschaft stocke und die Warteschlangen im Gesundheitswesen seien sehr lang. «Gerade deshalb wäre es für Sunak auch schon rein symbolisch äusserst wichtig, wenn vor den Wahlen wenigstens ein Flugzeug nach Ruanda, abheben könnte.» Dabei wäre es wahrscheinlich egal, wie viele Menschen darin sitzen würden.
Doch bis dieses Flugzeug tatsächlich über die Piste rollt, wird es noch eine Weile dauern.