Darum geht es: Die türkische Lira ist nach einer Rede von Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag auf ein Rekordtief gefallen. Erdogan forderte eine «wettbewerbsfähige» Lira. Ein noch schwächerer Wechselkurs solle Investitionen aus dem Ausland und damit Arbeitsplätze fördern. In der Folge verlor die türkische Währung am Dienstag zeitweise bis zu 15 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar – innerhalb eines Jahres hat sie inzwischen fast die Hälfte ihres Werts verloren. Damit dürfte die Inflation weiter angeheizt werden.
Das sind die Reaktionen: Neben Strassenprotesten kam scharfe Kritik an Erdogan auch von der politischen Opposition. So sagte Erdogans früherer Finanzminister Ali Babacan – er führt jetzt eine eigene Partei an –, dass Erdogan die Türkei in den Bankrott treiben wolle. Und der frühere Ministerpräsident Ahmet Davotoglu – auch er ist ins Oppostionslager gewechselt – twitterte von «Verrat».
Von monatlich umgerechnet 250 Euro kann man in der Türkei nicht wirklich leben.
Das bedeutet die Lira-Entwertung: Viele Menschen in der Türkei würden für den Mindestlohn von 2800 Lira arbeiten, sagt die ARD-Korrespondentin in Istanbul, Karin Senz. Das seien Anfang Jahr umgerechnet noch rund 300 Euro gewesen. Doch: «Gestern waren das zeitweise nicht einmal mehr 200 Euro.» Deshalb verlangten die Gewerkschaften jetzt eine Anhebung des Mindestlohns auf 3600 Lira – oder auf derzeit gut 250 Euro. «Doch davon kann man in der Türkei nicht mehr wirklich leben», weiss Senz. Die Regierung denke deshalb jetzt darüber nach, den Strom zu subventionieren. Auch propagiert sie die Eröffnung von Direkt-Supermärkten, die ohne Zwischenhändler funktionieren.
So kommt Erdogans Strategie an: Die Lira schwächen, um ausländische Investoren anzulocken, ist Erdogans Idee. Tatsächlich schätzten ausländische Unternehmen die tiefen Produktionskosten in der Türkei durchaus, weiss Senz. Doch die Lira-Schwankungen und die Ungewissheit über eine weitere Talfahrt der türkischen Währung sähen die Investoren problematisch. Ausserdem seien die fehlende Rechtssicherheit sowie die Einflussnahme der Politik auf die Zentralbank ein Problem. Letzteres zeige sich etwa darin, dass innert zwei Jahren bereits der vierte Zentralbankchef im Amt sei, so Senz.