Was ist passiert? Die prorussischen Machthaber der abtrünnigen Region Transnistrien haben Russland um Schutz gebeten. Ein Kongress des international nicht anerkannten Separatistengebiets sprach dabei von «zunehmendem Druck durch Moldau». Was sie von Russland erwarten, ist nicht klar.
Was wird Moldau vorgeworfen? In einer am Kongress verabschiedeten Resolution sprechen die Separatisten unter anderem von einer wirtschaftlichen Blockade der Region sowie einer «Zerstörung der Grundlagen von Unabhängigkeit und Staatlichkeit». Transnistriens Präsident Wadim Krasnoselski sprach beim Kongress laut örtlichen Medien von einer «Politik des Genozids». Diese werde durch wirtschaftlichen, «physischen», rechtlichen und sprachlichen Druck ausgeübt. Der Resolution zufolge richten sich die Separatisten neben Russland auch an die OSZE, das Europäische Parlament, das Rote Kreuz und die UNO mit der Bitte, «Provokationen» zu verhindern, die zu einer «Eskalation der Spannungen» führen könnten.
Wie reagiert Moldau? Die Regierung des EU-Beitrittskandidaten bezeichnete die Aussagen als Propaganda. Die Region profitiere von «der Politik des Friedens, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Integration mit der Europäischen Union», die allen Bürgern zugutekomme, schrieb der stellvertretende Ministerpräsident Oleg Serebian auf Telegram. Nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 hat sich Moldaus Politik immer wieder sehr besorgt gezeigt. Beobachter werfen Russland zudem vor, die Lage in der Region gezielt mit Provokationen zu destabilisieren.
Wie reagiert Russland? Moskau bezeichnete den «Schutz» der Bewohnerinnen und Bewohner in Transnistrien als eine «Priorität». Die Sprecherin des Aussenministeriums hatte im Vorfeld Befürchtungen über mögliche Annexionspläne Russlands eine Spekulation genannt. Russland sieht sich als Schutzmacht russischer Minderheiten vor allem in früheren Sowjetrepubliken. So unterstützte es die von der Ukraine abtrünnigen Bewegungen in den Regionen Donezk und Luhansk schon vor dem aktuellen Krieg.
Was steckt hinter Transnistrien? Die Provinz und ihre Regierung wird nur von Russland anerkannt und ist wirtschaftlich und militärisch von Russland abhängig. Transnistrien grenzt im Osten an die Ukraine und hat etwa 375’000 Einwohner, rund zehn Prozent der Einwohnerzahl Moldaus. Etwa ein Viertel der Menschen dort sind russischer Herkunft, knapp 30 Prozent ukrainischer Abstammung und die übrigen überwiegend moldauischer. Die Unabhängigkeitsbestrebungen begannen mit dem Zerfall der Sowjetunion und mündeten von März bis Juli 1992 in einen Krieg, der durch die russische Armee beendet wurde. Das De-Facto-Regime Transnistrien hat eigene paramilitärische Verbände. «Gekennzeichnet ist die Herrschaft durch eine intransparente Verflechtung von Politik und Wirtschaft, es gilt das Recht des Stärkeren», sagt Miriam Kosmehl, Osteuropa-Expertin bei der Bertelsmann-Stiftung. In der Region wuchert die organisierte Kriminalität. Korruption, Geldwäsche und Schmuggel sind Alltag. Neben den Paramilitärs sind seit dem Ende des Krieges 1992 über Tausend russische Soldaten dort stationiert. Pikantes Detail: Laut russischer Militärdoktrin sind Einsätze der Armee auch ausserhalb des eigenen Staatsgebiets erlaubt, wenn es um den vermeintlichen Schutz russischer Staatsbürger geht.