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Was ist los mit der «Achse des Widerstands» im Nahen Osten?
Aus Echo der Zeit vom 06.10.2024. Bild: Keystone/EPA/ABEDIN TAHERKENAREH
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Achse des Widerstands «Die Hisbollah ist nicht mehr richtig kontrollierbar»

Die Hamas in Gaza, die Hisbollah in Libanon, die Huthis in Jemen, weitere Verbände in Irak. Sie alle zählen zur sogenannten Achse des Widerstands. Islamistische Milizen, die mit Iran verbündet sind. Lange galt diese Achse als grosser Machtfaktor in der Region. Nun sind Hamas und Hisbollah stark geschwächt. Was das bedeutet, erklärt der Schweizer Historiker und Politologe Toby Matthiesen.

Toby Matthiesen

Experte für die Golfstaaten

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Toby Matthiesen ist Historiker und Politikwissenschaftler und Experte für den Nahen Osten und die Golfstaaten. Aktuell lehrt er an der Universität in Bristol (UK) und schreibt unter anderem an einem neuen Buch über den Aufstieg der Golfstaaten. Zuvor war Matthiesen u. a. an den Universitäten Oxford (UK), Venedig (I) und Stanford (USA) tätig.

SRF: Was genau ist die Achse des Widerstands?

Toby Matthiesen: Die Achse des Widerstands ist eine informelle Allianz, in deren Zentrum der Iran, also die Islamische Republik nach 1979, und auch das Syrien der Familie Assad liegt. Um diese zwei Staaten herum haben sich einige nicht- oder parastaatliche Akteure formiert, zum Beispiel die Hisbollah in Libanon, die Huthis in Jemen oder verschiedene Gruppen in Irak. Historisch gesehen geht das aber alles zurück auf die 1970er und 1980er Jahre und hat eigentlich den Ursprung auch in Libanon, das ein Mekka der Revolution war. 

Die gemeinsame ideologische Komponente ist vor allem der Widerstand. Zuerst mal gegen Israel, dann auch gegen die USA und verbündete Regierungen.

Diese Gruppen aus verschiedenen Ländern sind sehr unterschiedlich. Welches ist deren gemeinsame ideologische Komponente?

Das ist vor allem der Widerstand: Zuerst mal gegen Israel, aber dann auch gegen die USA und verbündete Regierungen. Sehr konkret hat sich die Achse eigentlich in den 2000er Jahren formiert, als die USA angefangen haben, im Nahen Osten verschiedene Regime zu stürzen, hervorgehoben in Irak 2003. Damals hiess es, Syrien und Iran seien vielleicht die nächsten Ziele. Dagegen haben sich dann die Allianzen der Achse des Widerstands verstärkt.

Ursprünglich war diese Achse auch dazu da, um Iran zu schützen. Es ist ein Teil der Verteidigungsstrategie Irans. Und jetzt ist die sehr schlimme Sache für Iran eingetreten, dass zwei dieser Gruppen, Hamas und Hisbollah, extrem geschwächt wurden. Diese Gruppen hätten vor einem Einmarsch oder einem massiven Angriff auf Iran schützen sollen. Jetzt weiss man in Iran scheinbar nicht genau, was man machen soll.

Was heisst das für die Zukunft dieser Widerstandsachse?

Die Achse ist sicherlich extrem geschwächt, vor allem durch die Angriffe auf die Hisbollah. Andererseits gibt es informelle Netzwerke und es sind in Irak und Jemen auch noch relativ neue Gruppen dazugekommen. Somit gibt es sicher noch einige Stärken der Achse, die sie noch nicht ausgespielt hat.

Man muss aber klar sagen, dass diese Achse sehr stark unter Druck kommt. Eine gewisse Popularität für ihre Narrative gibt es noch, weil es im Moment keine anderen arabischen Staaten gibt, die sich jetzt noch konkret für die Palästinenser einsetzen. Iran kann sich hier positionieren und versucht, sich als Verteidiger der Araber und vor allem der Palästinenser darzustellen. Die palästinensischen militanten Gruppen haben wenig Auswahl und haben sich in den letzten Jahren auf Iran verlassen.

Viele dieser Gruppierungen sind nicht mehr richtig kontrollierbar, auch zum Beispiel die Hisbollah.

Was heisst das für die Sicherheitslage in der Region?

Es ist im Moment extrem gefährlich und die ganze Situation eskaliert von Tag zu Tag. Man muss auch sagen, viele dieser Gruppierungen sind nicht mehr richtig kontrollierbar, auch zum Beispiel die Hisbollah. Nach der Ermordung der gesamten Führungsriege der Hisbollah kann man davon ausgehen, dass es möglicherweise Splitterbewegungen gibt, die sich noch viel radikaler einsetzen wollen. Die Situation könnte so auf unerwartete Weise eskalieren.

Das Gespräch führte Christine Scheidegger.

Echo der Zeit, 6.10.2024, 18:00 Uhr ; 

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