Nächste Woche stimmen die Ägypter über eine neue Verfassung ab. Nach den Worten des Übergangspräsidenten Adli Mansur ist die Abstimmung ein erster Schritt zurück zur Demokratie. Ausserdem soll es noch im ersten Halbjahr Wahlen geben. Doch der Weg zu einem demokratischen Rechtsstaat ist noch lang.
«Es gibt im Moment im ganzen Land keine einzige Institution, die gewählt – also demokratisch legitimiert – wäre», sagt SRF-Korrespondent Philipp Scholkmann. Die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, Kritiker würden verhaftet. «Und die Armee führt einen Krieg gegen Terroristen ohne Rücksicht.»
Manche Beobachter würden sich fragen, ob die Seilschaften aus der Zeit Mubaraks nicht das Rad zurückdrehen und ihre Privilegien sichern wollten, sagt Scholkmann. Es sei zudem fraglich ob es Demokratie geben könne, solange die Muslimbrüder so radikal ausgegrenzt werden.
Die Bevölkerung wünsche sich nichts mehr, als endlich ein bisschen Stabilität. Nach drei Jahren politischer Dauerwirren hofften sie auf wirtschaftliche Perspektiven, auf eine Arbeit, sagt Scholkmann.
«Die Menschen haben ein anderes Bewusstsein»
Anfangs kommender Woche stimmen die Menschen in Ägypten über eine neue Verfassung ab. Diese stärkt die Rechte des Individuums. «Das ist ein klarer Fortschritt», sagt Scholkmann. «Man spürt gewissermassen den säkularen Geist der neuen Regierung und der Armee im Text.» In der Verfassung der Muslimbrüder sei vielfach mit Religion und Tradition argumentiert worden.
Die Privilegien des Militärs bleiben in der neuen Verfassung bestehen: «Zivilisten können weiter vor ein Militärgericht zitiert werden und das Budget entzieht sich einer klaren zivilen Kontrolle», sagt Scholkmann. Auch werde der Verteidigungsminister weiter direkt von der Militärspitze ernannt.
Doch selbst wenn Militärchef Abdelfattah Al Sisi im Sommer als Präsident kandidieren sollte, wird Ägypten nicht wieder dort sein, wo es unter Mubarak stand: Der Aufbruch vor drei Jahren bleibe in den Köpfen der Menschen, sagt Scholkmann. «Wie auch immer sich Ägypten weiterentwickelt, die Menschen haben jetzt ein anderes Bewusstsein. Sie misstrauen Autoritäten und fordern ihre Rechte ein. Damit muss in Zukunft jedes Regime rechnen.»
Verfassung alleine beruhigt die Lage nicht
Niemand geht davon aus, dass die Bevölkerung die Verfassung ablehnen wird. Interessant werde die Höhe der Zustimmung und der Wahlbeteiligung sein. «Denn die Armee kann daraus den Grad der Zustimmung zu ihrem Kurs ablesen», sagt Scholkmann.
Entscheidend für eine Beruhigung im Land ist laut dem SRF-Korrespondenten aber nicht die Verfassung alleine. Wichtiger sei die weitere Entwicklung der Politik: Es werde sich zeigen müssen, ob die Verfassung auch wirklich umgesetzt werde.