Es war ein guter Start ins neue Jahr. Nach der sehr späten Einigung auf einen umfassenden Freihandelsvertrag zwischen der EU und Grossbritannien erwarteten viel Beobachter chaotische Szenen auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Das befürchtete Chaos zu Jahresbeginn blieb auf den ersten Blick allerdings aus. Weder im britischen Dover noch im französischen Calais kam es dank gut gefüllten Warenlagern nicht zu den erwarteten kilometerlangen Staus der Lastwagen.
Diese aktuellen Szenen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der bürokratische Aufwand wegen der neuen Zollformalitäten für Exportunternehmen um ein Vielfaches gestiegen ist. Bei Zollkontrollen kommt es wegen fehlenden oder nicht korrekt ausgefüllten Dokumenten zu langen Wartezeiten und unangenehme Situationen. Ganz so reibungslos wie gedacht, funktioniert der Handel zwischen der EU und Grossbritannien noch nicht.
Fehlende Kenntnisse der neuen Zollregeln
Grossbritannien gilt seit dem 1. Januar 2021 als Drittland für die Europäische Union. An den EU-Aussengrenzen werden folglich wieder Zollkontrollen durchgeführt. Einen Einblick über die neuen Herausforderungen gewährt der niederländische Zoll in der Ortschaft Hoek van Holland bei Rotterdam.
Auf der britischen Seite wird kaum über die Fortsetzung der Zollverfahren informiert.
In Grossbritannien würden Lastwagenchauffeure oft einfach losgeschickt, ohne die Zollformalitäten zu kennen, berichtet Rien de Ruijter. Er ist Teamleiter bei Zollstelle in Hoek van Holland. Auf der britischen Seite werde kaum über die Fortsetzung der Zollverfahren informiert, was vor allem Auswirkungen auf die kleineren Transportbetriebe habe. Diese seien sich der neuen Regeln oft weniger bewusst als die grossen Betriebe.
Die Regeln sind im Moment klar: Wenn du die Bedingungen nicht erfüllst, wirst du vom Fährterminal weggschickt.
Die ersten Tage, seit Grossbritannien den EU-Binnenmarkt verlassen hat, zeigen, dass an den EU-Aussengrenzen die neuen Zollformulare äusserst genau kontrolliert werden. «Die Regeln sind im Moment klar: Wenn du die Bedingungen nicht erfüllst, wirst du vom Fährterminal weggeschickt. Du musst dann zu einem speziellen Parkplatz fahren und bekommst 24 Stunden Zeit, um deine Formalitäten in Ordnung zu bringen», erzählt Rien de Rujter. Diese neue Form der Bürokratie hat dann unter anderem zur Folge, dass verderbliche Produkte wie Fische oder Meeresfrüchte nicht zeitgerecht zu den Abnehmern in der Europäischen Union geliefert werden können.
Sandwich-Knatsch bei der Zollkontrolle
Die Regeln haben sich durch das Brexit-Abkommen aber nicht nur für die Transportunternehmen geändert, sondern auch für Privatpersonen. Seit dem 1. Januar 2021 ist es nicht mehr möglich, Produkte wie Fleisch, Gemüse oder Früchte aus Grossbritannien ohne die nötigen Dokumente in die Europäische Union einzuführen. So kann als Folge auch ein mit Fleisch belegtes Sandwich aus Grossbritannien von niederländischen Zöllnern konfisziert werden.
Zu den bereits bestehenden Schwierigkeiten kommt in den kommenden Tagen noch ein weiteres Hindernis hinzu. Reisende sowie auch Lastwagenchauffeure, die aus Grossbritannien kommen, müssen bei der Abreise einen Schnelltest machen und ein negatives PCR-Test-Ergebnis vorweisen können, das nicht älter als drei Tage sein darf. Nur dann ist die Einreise in die Niederlande und somit auch in die Europäische Union möglich.