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Ärzte ohne Grenzen Krieg im Sudan: «Die Leute leben trotzdem ihr normales Leben»

Seit bald zwei Jahren herrscht im Sudan Krieg zwischen einer Rebellengruppe und der Armee. Zehntausende Menschen wurden laut der UNO getötet oder verletzt. Millionen sind auf der Flucht – und rund die Hälfte der Bevölkerung hat zu wenig zu Essen. Das sind rund 25 Millionen Menschen.

Juliane Fürst ist Logistikerin bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen und kürzlich von einem Einsatz in Omdurman bei Khartum zurückgekehrt.

Juliane Fürst

Logistikerin Ärzte ohne Grenzen

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Juliane Fürst ist Logistikerin bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.

SRF News: Was für ein Bild würden Sie uns schildern, um die Situation im Sudan zu beschreiben?

Juliane Fürst: Durch den Krieg wurde sehr viel kaputt gemacht. Die Strassen sind fast nicht passierbar, aber die Leute leben trotz Krieg noch ihr normales Leben. Etwa die Hälfte der Einwohner sind weggegangen, nach Saudi-Arabien oder sonst wohin. Im Spital ist alles überlastet. Totales Chaos.

Wie ist die Situation in Omdurman?

Wir unterstützen ein Kinderspital. Dort haben wir ein Screening gemacht, indem wir feststellten, dass tatsächlich kleine Kinder und auch Kleinstkinder Mangelernährung aufweisen. Ärzte ohne Grenzen hat dann beschlossen, diesen Familien Nahrungsmittel mitzugeben, wenn sie vom Spital entlassen werden.

Wie sieht es mit der Wasserversorgung aus?

Da gibt es Wasser­aufbereitungs­anlagen. Wasser gab es zeitweise nur stundenweise, aber es war verfügbar. Wenn nicht, gibt es noch die Lösung mit dem Esel und dem Tank hinten darauf. So sieht man das ganz oft.

Und wie ist die Qualität des Trinkwassers?

Das ist ein grosses Problem. Es gab Ausbrüche von Cholera. Da haben wir ganz schnell reagieren müssen: mit Medikamente aushelfen und ein kleines Cholera Treatment Center aufbauen müssen.

Das Problem ist die Bürokratie.

Sie sind für die Logistik verantwortlich. Wie funktioniert die Lieferung von Hilfsgütern in den Sudan?

Da muss man sehr, sehr flexibel sein und reaktiv. Wir müssen mit dem Mediziner zusammen feststellen, welche Medikamente es braucht. Es gibt ein Lager in Port Sudan. Von dort müssen wir die Medikamente bestellen. Dann braucht es ein paar Tage, bis diese direkt vor Ort in Omdurman ankommen. Es gibt aber auch Güter, die man in Omdurman kaufen kann. Jedoch muss man suchen und hoffen, dass man sie findet. Oder eben total improvisieren.

Und welches sind die grössten Schwierigkeiten?

Das Problem ist die Bürokratie. Bis so ein Hilfskonvoi auf der Strasse steht, dauert es viel zu lange. Ausserdem muss die Sicherheit gewährleistet werden, weil durch diesen grossen Mangel besteht die Gefahr für Überfälle.

Menschen gehen auf einer zerstörten Strasse mit beschädigten Gebäuden und einem alten Auto.
Legende: Die UNO spricht von einer der grössten der humanitären Krisen der Welt. Die Ernährungsunsicherheit habe ein historisches Ausmass erreicht. (Foto von Omdurman vom November 2024) Keystone/SARA CRETA

Wie gewährleisten Sie die Sicherheit der Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen?

Wir sprechen stets mit den Behörden vor Ort und suchen uns die Orte aus, wo es einigermassen sicher ist. Ausserdem haben wir unsere eigenen Sicherheitsvorkehrungen. Zum Beispiel müssen die Mauern um die Unterkunft hoch genug sein, man braucht Wachleute und ein gutes Kommunikationssystem.

Das Internationale Rote Kreuz hat die Konfliktparteien vor wenigen Tagen dazu aufgerufen, Angriffe auf die zivile Infrastruktur zu unterlassen. Sind Sie auch von solchen Angriffen betroffen?

Das war tatsächlich auch der Fall. Vor wenigen Tagen geschah ein Angriff auf einen Markt, wo über 50 Leute zu Tode gekommen sind und über 150 verletzt wurden. Die kamen dann in das Spital, das wir unterstützen.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 07.02.2025, 18 Uhr ; 

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