Während die Lage in Nahost weiter zu eskalieren droht, gab es in den letzten Tagen auch erschütternde Nachrichten aus Europa: Am letzten Freitag erstach ein 20-jähriger Mann einen Lehrer an einem Gymnasium im nordfranzösischen Arras.
In Brüssel gerieten am Montagabend zwei schwedische Fussballfans ins Visier eines Attentäters. Der tödliche Angriff erfolgte laut den Ermittlungsbehörden offenbar gezielt: Es könnte sich um einen zynischen Racheakt für Koranverbrennungen in Schweden handeln.
In beiden Ländern wurde nach den Attacken die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Die Meldung gehört mittlerweile zum traurigen Standardrepertoire der Berichterstattung über die verstörenden Gewaltakte.
Alarmieren und Abschrecken
Doch bringt die Erhöhung der Terrorwarnstufe überhaupt etwas? Einer, der sich damit auskennt, ist Nicolas Stockhammer. Er leitet an der Donau-Universität Krems ein Forschungsnetzwerk, das sich unter anderem mit Terrorismusbekämpfung befasst.
Laut Stockhammer haben Terrorwarnstufen prinzipiell drei Zwecke:
- Die Selbstversicherung der Sicherheitsbehörden: Potenzielle Anschlagsziele werden gesichert und die staatlichen Organe bereiten sich auf eine sich konkretisierende terroristische Bedrohung vor.
- Alarmierung der Bevölkerung: Die Menschen werden darüber informiert und gewarnt, dass sich ein terroristischer Akt in ihrem unmittelbaren Umfeld vollziehen könnte.
- Abschreckung möglicher Terroristen: Potenzielle Attentäter sollen wissen, dass sich die Sicherheitsbehörden auf eine Bedrohung vorbereiten und diese mit aller Vehemenz abwehren.
Je nach Land gibt es unterschiedliche Abstufungen von Terrorwarnstufen. Belgien etwa kennt vier Stufen der Bedrohung von «gering» bis «sehr ernst», Grossbritannien fünf und Frankreich drei. Diese zu bemessen, ist für den Experten eine «Kunst der eierlegenden Wollmilchsau»: «Man muss Puzzle-Stücke zusammensetzen und Hinweise sammeln, die darauf hindeuten, dass sich eine terroristische Bedrohung manifestieren kann.»
Wesentliches Kriterium zur Beurteilung einer terroristischen Bedrohung sind zwei Aspekte: die Motivation der Attentäter und ihre Fähigkeiten. Ist ihnen zuzutrauen, eine Terrorattacke erfolgreich auszuführen und sind sie willens, einen Angriff gegen starke Widerstände der Sicherheitsbehörden durchzuführen? All das könne nur im Einzelfall beurteilt werden, sagt der Terrorismusexperte.
Sichtbarere Präsenz und mehr Kompetenzen
Auch was bei einer Erhöhung der Terrorwarnstufe passiert, unterscheidet sich von Land zu Land. Stockhammer illustriert das am Beispiel Österreichs: Dort werde insbesondere die Präsenz von Spezialkommandos und Sondereinheiten erhöht. «Damit wird demonstriert, dass die Sicherheitsbehörden auf alle Eventualitäten vorbereitet sind.»
Zudem kann die Justiz griffigere Möglichkeiten erhalten, potenziellen Terroristen das Handwerk zu legen. In Frankreich etwa erhöhen sich mit der Terrorwarnstufe auch die Kompetenzen der Polizei. Zudem ist das Militär in die Abwehr einer terroristischen Bedrohung eingebunden.
Für die Bürgerinnen und Bürger kann eine Erhöhung der Terrorwarnstufe eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeuten: So wird entweder davon abgeraten, sich an gewisse Orten aufzuhalten oder der Zugang wird verboten. «Diese Dinge werden aber nicht leichtfertig veranlasst», sagt Stockhammer.