Die marokkanischen Geheimdienste führen einen verabscheuungswürdigen Krieg gegen Algerien, sein Volk und seine Führer. Das marokkanische Königreich hat seine Feindseligkeiten gegen Algerien nie eingestellt.
Es ist ein Eklat mit Seltenheitswert in der internationalen Politik: Mit drastischen Worten verkündete Algeriens Aussenminister am Dienstagabend, dass sein Land die diplomatischen Beziehungen zu Marokko kappt. Algerien und Marokko sind zwar Nachbarn. Doch ihr Verhältnis ist nicht nachbarschaftlich freundlich, sondern seit Jahrzehnten spannungsreich.
Hintergrund ist unter anderem der Streit um die Region Westsahara. Marokko beansprucht diese für sich, Algerien hingegen unterstützt die dortige Unabhängigkeitsbewegung, die Polisario.
Die gegenseitigen Ressentiments reichen weit in die Geschichte zurück. Das offizielle Communiqué der Regierung in Algier beginnt schon 1933 mit dem Grenzkrieg zwischen Marokko und Algerien. Doch auch das Verhältnis zu Israel entzweit die Nachbarn. So wirft Algier Rabat vor, einen «Brückenkopf für Israel» in der Region etabliert zu haben.
Zusätzlich Öl ins Feuer goss der Besuch des israelischen Aussenministers Jair Lapid in Marokko Mitte August. «Zusammen mit seinem marokkanischen Kollegen äusserte sich Lapid kritisch über die algerische und auch die iranische Rolle in der Region», sagt Isabelle Werenfels, die sich bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik mit den Maghreb-Staaten beschäftigt.
Auch, wenn Algier feindselige Aktivitäten des marokkanischen Geheimdienstes anprangert, zielt dies auf Verwicklungen mit Israel ab, konkret die Pegasus-Abhöraffäre: Mit einer israelischen Software spionierte der Geheimdienst des Königreichs tausende Menschen in Marokko selbst, aber auch im Ausland aus. So auch in Algerien.
Für die aktuellen Verstimmungen gibt es also eine Vielzahl an Gründen. Vor allem aber wolle Algerien mit dem diplomatischen Knall ein Signal nach Innen und nach Aussen senden, glaubt Werenfels. Sie beschreibt die Losung wie folgt: «Wir sind zurück als wichtiger Akteur und wir sind ernst zu nehmen.»
Zudem betrachte sich Algerien als Führungsnation der Staaten, die sich gegen die Normalisierung der Beziehungen mit Israel aussprechen, «und das sind ja immer weniger in der arabischen Welt». Innenpolitisch kann Algeriens Regierung damit punkten: So zeigen Umfragen, dass sich 99 Prozent der Bevölkerung gegen die Normalisierung der Beziehungen mit Israel ausspricht.
Marokko gibt sich handzahm
Auf den sozialen Medien erklärte das marokkanische Aussenministerium, es bedauere Algiers «ungerechtfertigte Entscheidung» und dessen «absurde Vorwürfe». Marokko wolle ein glaubwürdiger und loyaler Partner für das algerische Volk bleiben.
Während sich Rabat derzeit gemässigt gibt, befeuerte es den Zwist kürzlich noch selbst: «Im Juli provozierten die Marokkaner mit einer Karte und einem angeblichen Brief an das Generalsekretariat der blockfreien Staaten, in denen sie der Autonomie der Berber-Region in Algerien unterstützten», so Werenfels. Dies war wiederum eine Retourkutsche dafür, dass Algerien die Unabhängigkeitsbewegung in der Westsahara unterstützt.
Die Episode zeigt, wie vergiftet das Verhältnis zwischen den Maghreb-Staaten derzeit ist. Stoff für weitere Streitigkeiten ist buchstäblich in der Pipeline: Die zerstrittenen Nachbarn wollen im Oktober neu über eine Gasleitung verhandeln, die über die beiden Länder nach Spanien führt.