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«Das ist ein übler Trick des algerischen Regimes»
Aus Echo der Zeit vom 12.03.2019. Bild: Keystone
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Algerien in Aufruhr «Das ist doch alles ein übler Trick!»

Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal ist sehr skeptisch, was den angekündigten Rückzug von Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika angeht. Er befürchtet eine Finte.

Boualem Sansal

Schriftsteller

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Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal hat 2011 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten. Sansal war früher selber ein hochrangiger Beamter, inzwischen gehört er zu den grössten Kritikern von Präsident Bouteflika.

SRF News: Wie schätzen Sie die Nachricht von Bouteflikas Nicht-Kandidatur ein?

Boualem Sansal: Ich bin bestürzt. Das ist ein schlauer Trick von Bouteflika und seinen Leuten – von langer Hand geplant, um die Macht zu behalten. Seine Kandidatur zieht er zurück, behält aber weiterhin alle Fäden in der Hand. Es ist eine Katastrophe. Er hat jetzt alle Zeit der Welt. Die Stabsübergabe an den Nachfolger kann drei Monate dauern oder fünf Jahre.

Bouteflika will eine Verfassungsreform durch eine nationale Konferenz, danach soll die Präsidentenwahl abgehalten werden. Das tönt doch nach Bewegung?

Eine nationale Konferenz wird nicht einfach mir nichts, dir nichts ins Leben gerufen. Man muss zuerst die Leitplanken festlegen, dann die politischen Parteien und die Zivilgesellschaft mobilisieren, schon allein das geht mindestens ein Jahr. Und dann dauert es Monate, bis diese Konferenz ein Resultat ihrer Arbeit vorlegen kann.

Bis zur Stabsübergabe an den Nachfolger kann es drei Monate dauern oder fünf Jahre.

Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Konferenz ihre Arbeit nie wird beenden können – auf dem Weg dorthin wird es tausende Hindernisse geben. Umso mehr, als Algerien ein zerrissenes Land ist, ein kompliziertes Land, mit einer heterogenen Bevölkerung. Es gibt so viele verschiedene Probleme, die in Algerien gelöst werden müssen. Politische Fragen, religiöse, philosophische, wirtschaftliche. Das ist doch alles ein übler Trick.

Menschenmassen.
Legende: Auch nach Bouteflikas Ankündigung gehen die Proteste gegen die Mächtigen weiter. Reuters

Werden die Massendemonstrationen nach dem Verzicht Bouteflikas nun abflachen?

Bouteflika wird mit allen Mitteln versuchen, die Lage zu beruhigen, um seine Macht zu erhalten. Doch man kann die Geschichte nicht aufhalten. Die Demonstrationen werden weitergehen und das Regime wird nach und nach seine Karten aufdecken. Und man wird merken: Es ändert sich nichts.

Bouteflika und seine Leute werden mit sanften Methoden den Frieden kaufen: Mit Korruption, mit Begünstigungen, mit Geld.

Wird das Regime den Protest einfach hinnehmen?

Die Machthaber in Algerien haben begriffen, dass ein Druck von oben oder Polizeigewalt sich nicht lohnen würde. Alles würde radikalisiert. Der Sturz des Regimes würde vorangetrieben. Deshalb werden Bouteflika und seine Leute das tun, was sie immer getan haben: mit sanften Methoden den Frieden kaufen. Mit Korruption, mit Begünstigungen, mit Geld. Er hat dafür jahrelang Milliarden ausgegeben. Die Beamtenlöhne wurden stark erhöht, man zahlt die religiösen Autoritäten, die Kultur, eigentlich alle. Bouteflika spielt gerne den Weihnachtsmann, der die Geschenke bringt. Ich war mal hoher Beamter und Sie können sich vorstellen, wie angenehm das ist, wenn das Gehalt sich in kurzer Zeit vervielfacht.

Die Islamisten arbeiten an der Islamisierung der Welt – nicht nur Algeriens.

Befürchten Sie, dass die aktuelle Entwicklung in Algerien den radikal-islamistischen Kräften hilft?

Alle muslimischen Länder werden früher oder später nach der Scharia, also nach islamischem Gesetz regiert werden. Das ist eine Realität, die unvermeidbar ist. Die Islamisten haben geschickte Strategien, sie machen Agitprop, sie durchdringen alle Gesellschaftsschichten. Sie haben es nicht eilig, die aktuelle Agenda ist ihnen egal. Ob jetzt in Algerien Bouteflika oder ein anderer an der Macht ist, spielt keine Rolle. Sie arbeiten an der Islamisierung der Welt – nicht nur Algeriens. Es ist nicht der krude, um sich schiessende Islamist der 90er- und Nullerjahre, den sie verkörpern. Es ist der gescheite, der gebildete, der Wissenschaftler, der in den wichtigen Institutionen sitzt und an den Universitäten lehrt.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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