Lastwagen, Busse und Autos fahren im Schritttempo, halten an, fahren ein paar Meter weiter. Hier am Huaqiao-Übergang geht es von der Provinz Jiangsu ins Stadtgebiet von Shanghai. Wer hier vorbeifährt, wird kontrolliert. Auf der Strasse stehen Gestalten in blauen Plastiküberzügen, Polizisten mit Schutzbrillen und Gesichtsmasken.
Auch Lehrerin Pang ist von Kopf bis Fuss in Schutzkleidung eingepackt. Da wegen der Virus-Krise ohnehin kein Unterricht stattfindet, hilft sie gemeinsam mit anderen Lehrerkollegen mit. Pang geht zu den stehenden Autos und verteilt Merkblätter mit einem QR-Code. «Sie müssen den QR-Code scannen und dann online ein Formular ausfüllen», erklärt sie. «Wenn Sie eine Identitätskarte für Shanghai haben oder einen Wohnsitz in Shanghai dürfen Sie weiterfahren.»
Ein paar Meter weiter vorne, wird den Wageninsassen die Temperatur gemessen. Erst wenn sie kein Fieber haben, dürfen sie in Shanghais Stadtgebiet fahren. Der Verkehr geht nur zähflüssig voran.
Einige Fahrer steigen aus, vertreten sich die Füsse. So auch Shen Jun, Anfang vierzig. Auch er trägt einen Mundschutz, nimmt ihn auch beim Sprechen nicht ab. Er handle in Shanghai und Jiangsu mit Baumaterialien, sagt er. Doch arbeiten kann er derzeit nicht. «Wir müssen warten, bis uns die Regierung erlaubt, die Arbeit wieder aufzunehmen. Natürlich verliere ich damit Geld. Das ist unvermeidbar. Aber es ist dasselbe im ganzen Land. Wir müssen das gemeinsam durchstehen.»
Keine Kritik an der Regierung
Rund 100 Mitarbeiter arbeiten für Shen Jun, entlassen könne er die jetzt nicht. Aber er spüre den finanziellen Druck schon. China als solches mag er nicht kritisieren, schon gar nicht die Regierung. Verantwortlich sind für ihn die Bewohner in Wuhan – dem Zentrum der Virus-Krise.
Die hätten gewisse Sachen eben nicht essen dürfen. Shen meint damit die Produkte des inzwischen geschlossenen Fisch- und Meeresfrüchtemarkts der Stadt, der auch Fleisch von exotischen Tieren verkauft haben soll. Woher das Virus wirklich stammt, ist jedoch bis jetzt nicht vollständig geklärt.
Wirtschaftlicher Schaden noch unbekannt
Auch in die andere Richtung – von Shanghai in die Provinz Jiangsu – stehen Autos und Lastwagen. Auch hier gibt es strenge Kontrollen. Die Strasse in diese Richtung führt zum Huaqiao Business-Park. Mehrere tausend Firmen, hauptsächlich im Dienstleistungssektor, sind hier angesiedelt.
Arbeitnehmer aus Hubei haben wir kontaktiert, und ihnen gesagt, dass sie nicht zurückkommen sollen bis die Epidemie vorbei ist.
Hier ist man sichtlich stolz, bisher keinen einzigen Fall des Corona-Virus zu haben. Obwohl über 200'000 Menschen in Huaqiao leben und arbeiten – viele von ihnen kommen von auswärts.
Wu Donghai, Sprecher der Lokalverwaltung erklärt weshalb: «Wir haben sehr strenge Bestimmungen: Arbeitnehmer aus Hubei zum Beispiel, haben wir telefonisch kontaktiert, und ihnen gesagt, dass sie nicht zurückkommen sollen bis die Epidemie vorbei ist. Wir sind da sehr vorsichtig.»
Zurück beim Checkpoint an der Provinzgrenze. Wie lange die Virus-Krise noch andauert, kann hier niemand sagen. Auch nicht Lastwagenfahrer Wang, der seit über zwei Stunden ansteht. Die Arbeit sei natürlich beeinträchtigt, aber er könne damit umgehen, meint er. Schliesslich sei die Epidemie eine besondere Situation.
Und so wartet auch Fahrer Wang geduldig, durchgelassen zu werden. Es bleibe ihm ja nichts anderes übrig, als die Gesetze zu befolgen.
Echo der Zeit, 13.2.2020, 18.00 Uhr