24 Stunden lang hatte die Anklage Zeit, im Senats-Prozess ihren Fall gegen Donald J. Trump darzulegen. Minutiös und gewandt führten die Demokraten des Anklageteams das Material aus ihrem 23'000-seitigen Ermittlungsdossier vor.
Sie konnten anhand von Zeugenaussagen und Dokumenten überzeugend aufzeigen, wie Akteure im Weissen Haus und Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani die ukrainische Führung zu Strafermittlungen drängte, die Trump bei seiner Wiederwahl genützt hätten. Sie argumentierten, das Telefonat vom 25. Juli des vergangenen Jahres beweise, dass Präsident Trump persönlich die Politintrige vorantrieb.
Aber es gibt Schwachstellen in der Begründung der Demokraten. Sie haben zum Beispiel nach wie vor keine stichhaltigen Beweise, dass Präsident Trump die Militärgelder für die Ukraine zurückbehalten hat, um die gewünschten Ermittlungen zu erpressen. Es fehlen ihnen dazu die nötigen Kronzeugen-Aussagen und Dokumente. Das Weisse Haus hat diese blockiert.
Verteidigung im Vorteil
Die Demokraten bauen ihren Fall zudem auf die Absicht eines oft erratisch wirkenden Präsidenten. Es wird für sein Verteidigungsteam ein Leichtes sein, mögliche andere Absichten plausibel zu machen, zum Beispiel die gerechtere Lastenverteilung zwischen den USA und Europa bei der Militärhilfe an die Ukraine.
Fragen wirft zudem das Timing des Impeachments der Demokraten auf. Warum versuchen sie ausgerechnet in einem Wahljahr, Präsident Trump aus dem Amt zu hieven? Die Demokraten sagen, die Sachlage mache das notwendig und die Gefahr, dass bei den Präsidentschaftswahlen 2020 wieder zugunsten Donald Trumps getrickst werde.
Die Anwälte von Präsident Trump, die am Samstag ihr Plädoyer eröffnet haben, stellten aber sofort die Motiv-Frage. Der führende Verteidiger Pat Cipollone sagte, die Demokraten stellten eine Gefahr für die US-Demokratie dar. Sie beabsichtigten nicht nur eine vergangene Volkswahl Trumps rückgängig zu machen, sondern auch eine mögliche Wiederwahl zu verhindern. Die Verteidigung werde dagegen aufzeigen, «dass Präsident Trump nichts falsch gemacht habe.»
Republikaner bleiben auf Trumps Linie
Trumps Anwälte haben bis und mit Dienstag Zeit, ihre Seite zu argumentieren. Der Impeachment-Prozess wird fast garantiert mit einem Freispruch von Präsident Trump enden. Im Moment gibt es keine Hinweise, dass es genügend republikanische Stimmen gibt, um neue Zeugen aufzurufen, wie es die Demokraten verlangen.
Deren anfänglich nüchterne Tonfall wurde gegen Ende ihres Plädoyers immer schriller «Er ist ein Diktator», sagte Ankläger Jerry Nadler über Präsident Trump.
Amtsenthebung eine Frage der öffentlichen Meinung
Der führende «Impeachment-Manager» Adam Schiff appellierte schliesslich an die Moral der Senatorinnen und Senatoren, die im Prozess die Rolle der Geschworenen einnehmen: «Wenn die Wahrheit keine Rolle spielt, sind wir verloren».
Doch das Impeachment ist keine Frage der Moral, es ist eine Frage der politischen Mehrheit im Senat – und die haben die Republikaner. Es ist auch eine Frage der öffentlichen Meinung – und dort mehren sich die Anzeichen eines akuten Desinteresses.