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Angst vor dem grossen Beben «Zu Santorini lässt sich keine sichere Voraussage machen»

Seit Tagen bebt bei der griechischen Ägäis-Insel Santorini die Erde. Viele Menschen haben das Eiland verlassen – aus Angst vor einem wirklich starken Beben. Experten wagen derzeit keine genaue Prognose, was als Nächstes passiert. Wieso Voraussagen bei Erdbeben und Vulkanausbrüchen derart schwierig zu machen sind, weiss Men-Andrin Meier vom Schweizerischen Erdbebendienst.

Men-Andrin Meier

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Der Erdbeben-Spezialist Men-Andrin Meier arbeitet beim Schweizerischen Erdbebendienst der ETH Zürich als Oberassistent.

SRF News: Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein grosses Erdbeben bei Santorini unmittelbar bevorsteht?

Men-Andrin Meier: Das können wir leider nicht in harten Zahlen festmachen. Man weiss aber, dass es vor grossen Erdbeben und Vulkanausbrüchen zuweilen zu vielen kleineren Beben kommt. Es gibt aber auch Fälle, in denen es nach intensiven Erdbebensequenzen nicht zu einem grossen Beben oder Vulkanausbruch kommt. Deshalb ist im aktuellen Fall bei Santorini keine Aussage mit grosser Wahrscheinlichkeit möglich.

Trotzdem liest man in den letzten Tagen, dass ein grosses Beben oder sogar ein Vulkanausbruch bevorstehen könnte. Was steckt da dahinter?

Es ist schon so: Mit der Intensität und Häufigkeit von kleineren Beben steigt die Wahrscheinlichkeit für ein wirklich starkes Erdbeben. In gewissen typischen Erdbebenregionen auf der Erde kann man das durchaus genauer einschätzen und quantifizieren – etwa in der Region des zentralen Apennin in Italien. Dort wird im Durchschnitt jede zehnte Sequenz von kleineren Beben von einem grossen Erdbeben gefolgt.

Eine sichere Voraussage lässt sich nicht machen.

Ob es ähnliche Erfahrungswerte auch für Griechenland gibt, weiss ich nicht. Sicher aber ist: Die Schwarmbeben nordöstlich von Santorini in den letzten Tagen weisen darauf hin, dass aktive tektonische und möglicherweise auch vulkanische Prozesse im Gang sind, deren Folgen ein grösseres Beben oder ein Vulkanausbruch sein können. Doch eine sichere Voraussage lässt sich nicht machen.

Links zum Thema:

Santorini ist eine Vulkaninsel – der letzte verheerende Ausbruch wird auf etwa 1600 v. Chr. geschätzt. Warum ist es in den letzten Tagen zu über 200 kleineren Beben in der Region gekommen?

Die Region in und um die Ägäis gehört zu den gefährdetsten Erdbebenzonen in Europa. Historisch ist es dort zu mehreren verheerenden Erdbeben gekommen, zuletzt vor zwei Jahren in der Südtürkei und Nordsysrien. Auch verheerende Vulkanausbrüche haben sich in der Vergangenheit in der Region ereignet. Deshalb gibt es auch jetzt Grund zur Sorge.

Warum ist gerade diese Region derart gefährdet?

Die Plattentektonik ist in und um die Ägäis sehr aktiv. In der sogenannten Subduktionszone taucht die ozeanische Platte unter die griechische Festlandplatte. Diese stetige Vorwärtsbewegung tief unter der Oberfläche führt zu Spannungen in der Erdkruste, die immer wieder zu Erdbeben oder Vulkanausbrüchen führen.

In unregelmässigen Abständen kommt es immer wieder zu starken Erdbeben mit verheerenden Folgen.

Die durch die Bewegungen entstehenden Spannungen in der Erdkruste werden meist durch kleinere Beben abgebaut. Doch in unregelmässigen Abständen kommt es auch immer wieder zu sehr starken Erdbeben mit für Mensch und Umwelt verheerenden Folgen.

Was also hat die Region noch zu erwarten?

Kurzfristig ist wie erwähnt keine gesicherte Aussage möglich. Langfristig aber schon: Man kann beispielsweise sagen, in welchem Zeitraum in einer gewissen Region ein wirklich schweres Erdbeben zu erwarten ist. Doch mit der Aussage: «ein Beben der Magnitude 7 ist alle 1000 Jahre zu erwarten» kann man kein einzelnes Beben exakt voraussagen. Auch kann es sein, dass sich im betreffenden Gebiet 3000 Jahre kein solches Beben ereignet, dafür dann zwei innert weniger Jahrzehnte.

Das Gespräch führte Tim Eggimann.

SRF 4 News aktuell, 4.2.2025, 07:10 Uhr ; 

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