Die Erdbeben in Südosten der Türkei haben über 35‘000 Tote gefordert, in Syrien wurden bisher 5900 Opfer gemeldet. Neben dem menschlichen Leid wird allmählich deutlich, welchen wirtschaftlichen Schaden das Beben in der türkischen Region angerichtet hat.
Erste Schätzungen einer Analyse-Firma aus den USA gehen von Schäden von 20 Milliarden Dollar aus. Mit bis zu 84 Milliarden Dollar rechne der türkische Unternehmerverband Türkonfed, berichtet Ozan Demircan, Türkei-Korrespondent vom deutschen «Handelsblatt».
Die Tükonfed-Schätzung teilt die Schäden in drei Bereiche: Der Verlust der Wirtschaftskraft allein wird dabei auf zehn Milliarden Dollar beziffert, was 1.5 Prozent des BIP der Türkei entspräche. Denn im Erdbebengebiet wurden auch viele Fabriken und Geschäfte zerstört.
Der reine Sachschaden durch zerstörte Gebäude und Infrastruktur wird aktuell auf 70 Milliarden Dollar veranschlagt. Und schliesslich kommt Türkonfed auf drei Milliarden Dollar an Schäden für verlorene Arbeitszeit – von Umgekommenen und Verletzten und von jenen, die wegen zerstörter Arbeitsstätten nicht mehr arbeiten können.
Düstere Prognosen
Die Türkei kämpfte bereits vor dem Erdbeben mit einer sehr starken Inflation. Damals lagen die Prognosen für das Wirtschaftswachstum bei 3 bis 3.5 Prozent fürs laufende Jahr. Mit Blick auf die Schätzungen von Türkonfed, aber auch der US-Investmentbank Goldman Sachs, dürfte das Wachstum auf ungefähr ein Prozent fallen, wie Demircan erklärt. Bereits gibt es auch Stimmen, welche der Türkei für 2023 überhaupt kein Wachstum voraussagen.
Die türkische Volkswirtschaft leidet seit Jahren unter einem Aussenhandelsdefizit, das mit Krediten finanziert wird. Zugleich muss jetzt am Kapitalmarkt weiteres Geld aufgenommen werden, unter anderem für den Wiederaufbau.
Das kann die Türkei als relativ grosse und robuste Volkswirtschaft zwar tun. Doch das geliehene Geld muss mit Zinsen zurückgezahlt werden – eine weitere Belastung für die Volkswirtschaft und für die ohnehin schwächelnde Währung des Landes.