Die Polizei von Sri Lanka nahm heute erneut mehrere Tatverdächtige fest. In der Hauptstadt Colombo musste wegen einer Bombendrohung kurzzeitig die Notenbank geschlossen werden. Es herrscht Nervosität, Krisenstimmung. Nun wird klar: Dem sri-lankischen Geheimdienst lagen Informationen über die geplanten Anschläge vor, bei denen nach jüngsten Erkenntnissen über 250 Menschen ums Leben kamen und weitere 500 verletzt wurden.
«Es ist beschämend und schockierend, dass die Regierung nicht vorab gehandelt hat», sagt Jehan Perera, Direktor der Nichtregierungsorganisation «National Peace Council» in Colombo. Wie die «Financial Times» und «The Guardian» berichten, wurden die sri-lankischen Sicherheitsbehörden spätestens am 4. April, womöglich sogar früher, über Pläne von Selbstmordattentaten in Colombo informiert.
Offenbar verfügten der indische und der amerikanische Geheimdienst über solche Informationen, welche sie Sri Lanka weitergeleitet hätten. Ein Schreiben des Polizeichefs von Sri Lanka nannte am 11. April sogar den Namen der lokalen Terrorgruppe, die jetzt von der Regierung verdächtigt wird, die Oster-Attacken ausgeführt zu haben.
Folgenreiches Schweigen
Diese Informationen seien ziemlich spezifisch gewesen, sagt Paikiasothy Saravanamuttu von der Denkfabrik «Center for Policy Alternatives». Der Name des Hauptverdächtigen sowie dessen damaliger Aufenthaltsort sollen in diesen Informationen enthalten gewesen sein.
Und trotzdem sei nicht gehandelt worden: «Während Polizei und Militär dem Präsidenten unterstehen, bestimmt der Premierminister über die übrigen Ministerien. Doch sie arbeiten nicht miteinander, sie sprechen nicht einmal miteinander», so Analyst Perera.
Premierminister Wickremesinghe ist seit Oktober aus dem wichtigen nationalen Sicherheitsrat ausgeschlossen. Wie er das als Regierungschef zulassen konnte, ist für die beiden Analysten schleierhaft. Die zweiköpfige Regierung schien handlungsunfähig. Vielleicht war das der Grund für die Versäumnisse. Perera sieht die Hauptverantwortung dennoch bei Präsident Sirisena. Denn er sei der zuständige Minister.
Analyst Saravanamuttu wiederum ist geneigt, dem Präsidenten zu glauben. Dieser beteuert, er habe nichts von diesen Plänen gewusst. Doch hört man den Zweifel aus Saravanamuttus Antwort heraus. Er hat eine andere These, warum man nicht reagierte: «Die Bedrohungsanalysen zur Bekämpfung von Terrorismus sind veraltet und stammen noch aus der Zeit des Bürgerkriegs.» Die Analysen gingen immer noch sehr stark von einer Bedrohung durch die Tamil Tigers aus.
Islamistischen Terrorismus gab es in Sri Lanka bis anhin nicht. Vielleicht waren die Behörden mit den Informationen, die sie erhalten haben, überfordert und hatten keine standardisierten Abläufe auf Lager, wie sie mit der Gefahr umgehen wollen. Für Saravanamuttu steht jedenfalls diese Frage im Raum: Wurde womöglich die Gefahr ignoriert, weil man nicht wusste, mit ihr umzugehen sei?
Fest steht, der Geheimdienst hat die Informationen weitergeleitet, die Politik musste von den Gefahren gewusst haben. Doch statt die Verantwortung zu übernehmen entliess Präsident Sirisena den Chef der Polizei und seinen Sicherheitssekretär. Ob dies als Massnahme genügt? Es muss noch viel aufgearbeitet werden.