Ab morgen dürften in Frankreich die politischen Querelen der letzten Wochen in den Hintergrund treten. Das Land lädt zur grössten Sportveranstaltung der Welt. Am Freitag werden in Paris die Olympischen Spiele eröffnet – die Seine wird zur Hauptbühne der Eröffnungsfeier.
Hoch oben, auf den Dächern beim Pont Notre-Dame, probt ein Blasorchester, begleitet von Tänzerinnen und Tänzern. Der Blick fällt auf die Seine, diese symbolische Ader der Stadt. Keine 100 Meter weiter, unten an der Strasse, versperren Gitter und Sicherheitskräfte den Zugang zum Fluss. Hier beginnt die «zone grise», die graue Hochsicherheitszone.
«Nein, der Bus fährt hier nicht», erklärt ein Polizist geduldig einer Passantin, die zur Arbeit muss. «Nein, die Metrostation ist geschlossen», einem älteren Herrn. «Haben sie keinen QR-Code? Dann gehen sie zur Notre-Dame-Brücke, die ist offen.»
Grossangelegter Anti-Terrorplan
Wo kommt man durch, wo nicht? «Es ist ein bisschen kompliziert», sagt ein junges Paar aus dem Nordwesten von Paris. «Normalerweise laufen wir einfach durch die Stadt, aber jetzt wissen wir nicht so recht, was tun.»
45'000 Polizisten und Gendarmen sind während der Olympischen Spiele im Einsatz, hinzu kommen rund 20'000 private Sicherheitskräfte und 15'000 Soldaten. Während der Eröffnungsfeier wird der Luftraum über der Hauptstadt gesperrt.
«Das Grossaufgebot beruhigt», sagt Mathilde, eine junge Pariserin. Aus Angst vor einem Attentat habe sie während der Spiele Ferien genommen. So wie wohl viele Pariserinnen und Pariser, die die Stadt verlassen haben. «Aber jetzt scheint es mir gut organisiert zu sein.»
Mathilde und ihre Begleiterin Camille haben eine Bewilligung für die Hochsicherheitszone erhalten – und geniessen jetzt die Ruhe in den Strassen, in denen sich normalerweise täglich lärmender Verkehr durchwälzt. «Es fühlt sich an wie während des Corona-Lockdowns», sagt Mathilde. «Ausser, dass wir jetzt das Recht haben, hier zu sein. Man hat fast das Gefühl, man habe Paris, die Welt für sich allein.»
Natürlich braucht es Sicherheit. Aber in diesem Ausmass?
Die Kehrseite dieser Ruhe zeigt sich etwas weiter auf der Place Louis Lépine in der grauen Zone.
«Sehen Sie? Alles verwaist», ärgert sich Blumenverkäuferin Betty. Sie ist nur hierhergekommen, um an ihrem Stand ein bisschen aufzuräumen. Verkaufen könne sie nichts. Sie seien völlig abgeschnitten. Keine Kundschaft – die Leute kämen ja hier ja gar nicht hin.
Sie solle für drei Tage schliessen, wegen der Eröffnungsfeier, habe man ihr gesagt. Dafür habe sie volles Verständnis. Doch dass nun bereits seit dem 18. Juli niemand mehr ohne Bewilligung auf den Markt könne, habe sie so nebenbei erfahren. Natürlich brauche es Sicherheit, sagt Betty. Aber in diesem Ausmass? Das hätte sie nicht gedacht.
Verwaiste Restaurants
Von fehlender Kundschaft berichtet auch Jonas, Chef de Service am Rande der Hochsicherheitszone auf der Île de la Cité. Sein Restaurant, sonst proppenvoll um diese Zeit am frühen Abend, ist fast leer, nur gerade 20 Kunden habe er seit dem Morgen bedient.
Und auch sie seien erst sehr kurzfristig über die Dauer der Einschränkungen informiert worden. Aus Sicherheitsgründen, mutmasst er. Wenn man vor sechs Monaten gewusst hätte, wo und wann abgesperrt wird, sagt er, hätte auch jeder, der Probleme machen will, davon erfahren. «Deshalb habe ich Verständnis: Die Sicherheit geht vor.»