Bei König Charles III. Krönung hatte der Erzbischof von Canterbury seinen letzten grossen Auftritt: staatstragend und eloquent. Er sprach vom «Dienen», dem sich König und Kirche verschrieben hätten.
Nun hat Erzbischof Welby bei König Charles um Entlassung gebeten. Der King of England ist auch das weltliche Oberhaupt der Church of England. Der König wird auch den neuen Archbishop ernennen. Der ist der Ehrenprimas der anglikanischen Kirchengemeinschaft, die ebenso wie das British Empire geschrumpft ist in den letzten Jahrzehnten. Trotzdem gehören bis gegen 80 Millionen Gläubige zur dieser Weltkirche.
Primas der Anglikanischen Weltgemeinschaft
Justin Welby wurde 1956 in London geboren. Dass er der uneheliche Sohn von Winston Churchills Privatsekretär ist, wurde erst 2016 mit einem DNA-Test erwiesen. Da war Welby bereits drei Jahre im Amt als Erzbischof der Kirche von England.
Welby war ein spätberufener Theologe und Bischof. Bevor er zum Glauben fand und mit 42 Jahren noch Theologie studierte, war er Finanzmanager einer global agierenden Erdölfirma. Er hatte an der Elite-Universität Cambridge studiert. In seinen Büchern widmete er sich auch als oberster Geistlicher Themen wie Finanzpolitik und Ethik.
Fromm und evangelikal, aber auch tolerant und offen
So befürwortete Welby die Weihe von Frauen zu Bischöfinnen. Er steht auch aktiv im interreligiösen Dialog. Das ist in der ebenso multireligiösen wie säkularisierten Gesellschaft Grossbritanniens von Vorteil.
Schrumpfen und Niedergang der Staatskirche konnte aber auch dieser Erzbischof nicht aufhalten. Die sexualisierte Gewalt in Kirche und kirchlichen Heimen hat die Säkularisierung in den letzten Jahrzehnten noch beschleunigt.
Um der Glaubwürdigkeit willen trete er nun zurück. Es gehe ihm dabei auch um die Glaubwürdigkeit der «Scham» seiner Kirche über die ungezählten Fälle von Gewalt an Kindern und Schutzbefohlenen. Doch dieser Rücktritt kam erst nach gewaltigem Druck von aussen – auch von Bischofskolleginnen und -kollegen von Wales bis Südafrika.
Die nie gesühnten Verbrechen des John Smyth
Wie «The Guardian» berichtet, habe die Kirche von England von den Missetaten des Geistlichen John Smyth gewusst und diese «gedeckt». 240 Jungen seien von Smyth seit den 70er-Jahren «sadistisch» misshandelt worden. Zuerst im Vereinigten Königreich, später in Afrika.
Die Opfer litten bis heute unter der sexualisierten und spirituellen Gewalt. Der Täter starb 2018 mit 75 Jahren in Kapstadt, ohne verurteilt worden zu sein.
Dass der Täter unbehelligt nach Südafrika übersiedeln konnte, ist zum Stein des Anstosses und nun zum Stolperstein für Justin Welby geworden.