Mit Sprengsätzen müsse man die Haut der Ungläubigen «rösten und verbrennen»: Schiiten, Juden, Christen. Diese Nachricht schreibt der Algerier Ende Januar 2022 einem Gleichgesinnten. Damals befindet er sich bereits in der Schweiz. In einer Asylunterkunft.
Das Bundesstrafgericht hat den heute 52-jährigen Algerier am Mittwoch in mehreren Punkten schuldig gesprochen, unter anderem wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation. Er sei seit 2016 ein glühender Anhänger des IS. Konkrete Vorbereitungshandlungen für einen Terroranschlag in Europa sah das Gericht nicht bewiesen, auch vom Vorwurf der Beteiligung an einer Terrororganisation sprach es ihn frei.
Aber es bestehe kein Zweifel, dass der Angeklagte die Ziele des IS aktiv unterstützt habe, durch die Verbreitung von Propaganda, Indoktrinierung anderer und er habe sich europaweit vernetzt mit der – zwar nicht konkretisierten, aber doch erklärten – Absicht einer Gewalttat, namentlich in Frankreich. Der Mann zeige keine Reue, so das Gericht in der mündlichen Urteilseröffnung.
Das Strafmass: 36 Monate Gefängnis unbedingt und ein 10-jähriger Landesverweis. Das Urteil kann noch weitergezogen werden.
Terrorismus und Asyl: In der Schweiz wurde das Risiko erkannt. Im Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Radikalisierungs-Prävention wurde 2017 das Ziel formuliert, Mitarbeitende in Asylunterkünften zu sensibilisieren. Damit sie Warnzeichen erkennen. Eine Evaluation attestierte 2021 Fortschritte. Etwa in der Zusammenarbeit zwischen dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und dem Staatssekretariat für Migration (SEM).
Mängel in den Kantonen
Die Evaluation stellte aber Mängel fest: in den Kantonen. Eine Ausweitung der Schulungen auf das Personal kantonaler Asylzentren erscheine sinnvoll. Obwohl im NAP vorgesehen, sei das nicht umgesetzt worden. Wo die Kantone heute stehen, lässt sich nicht pauschal sagen. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) schreibt, man habe keine Übersicht, die einzelnen Kantone seien zuständig.
Auf Bundesebene erklärt das SEM, alle Mitarbeitenden würden ein E-Learning absolvieren. Externe Leistungserbringer, also Private, sensibilisiere man «on the job». Aber: Eine standardisierte Ausbildung der Mitarbeitenden der Privatfirmen – wie ORS und AOZ bei der Betreuung sowie Protectas und Securitas bei der Sicherheit – sei in Planung. Start: zweite Hälfte 2025.
Hinschauen und wissen was zu tun ist
Der neue, derzeit laufende NAP gegen Radikalisierung fordert erneut, Betreuungspersonal von Asylsuchenden weiterzubilden. Das Ziel: «Erkennung und Umgang mit radikalisierten Personen sowie die damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten». Sprich: Hinschauen und wissen, was tun.
Der verurteilte Algerier war drei Monate nach seiner Einreise festgenommen worden. Allerdings nicht dank eines Hinweises aus dem Asylbereich, sondern, wie Recherchen von SRF ergaben, einer ausländischen Behörde, wahrscheinlich aus Spanien. Dort waren zuvor Chat-Partner des Algeriers verhaftet worden.