Am Samstag erst weihte der iranische Präsident Hassan Rohani neue, hoch entwickelte Zentrifugen ein. Sie sollen die Urananreicherung deutlich beschleunigen. Kurz darauf kam es in der Atomanlage Natanz zu einer schweren Störung der Stromversorgung. Sie wurde wohl durch einen Cyberangriff provoziert und könnte die Zentrifugen zur Urananreicherung nachhaltig beschädigen.
Teheran spielt jedoch das Ausmass der Schäden herunter. Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, spricht von «nuklearem Terrorismus». Aussenminister Mohammed Javad Zarif sieht in Israel den Urheber des Cyberangriffs.
Nicht die erste Intervention Israels
Nachdem die USA unter Präsident Donald Trump einseitig dem Atomabkommen von 2015 den Rücken gekehrt hatten, begann auch der Iran, Schritt für Schritt Verpflichtungen zu missachten und seine nuklearen Anstrengungen zu intensivieren. Die Inbetriebnahme der neuen, effizienten Produktionslinien ist dabei der jüngste und grösste Schritt.
Auch israelische Medien gehen, gestützt auf Quellen aus dem Militärgeheimdienst, von einer israelischen Operation aus. Es wäre nicht die erste. Schon 2010 richtete Israel gemeinsam mit den USA mit dem Computerwurm Stuxnet grosse Schäden in Natanz an. Vorigen Sommer kam es am selben Ort zu einer Explosion, hinter der ebenfalls Israel vermutet wurde. Wie meistens in solchen Fällen gibt es von der israelischen Regierung weder ein Dementi noch eine Bestätigung.
Die Iraner selbst – denkbar aber unwahrscheinlich
Im aktuellen Fall ist die Israel-These plausibel. Die Regierung von Benjamin Netanyahu war stets gegen das Atomabkommen mit dem Iran und drängte Trump massgeblich dazu, diesem den Rücken zu kehren. Netanyahu ist alles andere als begeistert, dass nun unter Präsident Joe Biden die USA das Abkommen von 2015 retten und ihm wieder beitreten wollen. Eine erste indirekte Verhandlungsrunde fand vorige Woche in Wien statt, eine zweite ist für diese Woche geplant. Dass Israel bestrebt sein könnte, diese neuen Verhandlungen mit einer Cyberattacke auf Natanz zu torpedieren, ist nicht aus der Luft gegriffen.
Dazu kommt: Es gibt im Iran keine Oppositionsgruppe, die organisatorisch und technisch einen solchen Angriff auf eine physisch und cybertechnisch hochgesicherte Atomanlage durchführen könnte.
Denkbar wäre hingegen, dass Hardliner in Teheran, welche die Verhandlungen über die Rettung des Atomabkommens entschieden ablehnen, mit einem Angriff auf Natanz die Wiener Gespräche sabotieren möchten. Sie werfen Präsident Rohani zudem vor, er fahre Irans Atomprogramm nicht forsch genug hoch. Doch dass diese Kreise ausgerechnet den Weg einer Cyberattacke auf Natanz wählten, um die Gespräche in Wien zu hintertreiben, leuchtet nicht ein.
Ein schlechter Moment
Offenkundig ist hingegen: Der Sabotageakt in Natanz findet in einem politisch heiklen Moment statt. Die Verhandlungen in Wien sind mühsam, das Klima ist frostig. Ausserdem ist der Zeitdruck gross: Im Frühsommer finden im Iran Präsidentschaftswahlen statt. Neuer Staatschef dürfte ein Hardliner werden. Damit würde eine Einigung erst recht schwierig.