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Atomarer Schutzschirm Wird Frankreich zu Europas Lebensversicherung?

Der französische Präsident will eine «strategische Debatte» über die künftige Sicherheitsarchitektur Europas eröffnen.

Der Vorstoss: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwägt, verbündete Länder unter den Schutz der französischen Atomwaffen zu stellen. Frankreichs nukleare Abschreckung habe seit 1964 ausdrücklich immer eine Rolle bei der Wahrung des Friedens und der Sicherheit in Europa gespielt, sagte Macron in einer Fernsehansprache. «Aber als Antwort auf den historischen Aufruf des zukünftigen deutschen Kanzlers habe ich beschlossen, die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere Abschreckung zu eröffnen.»

Merz
Legende: Der wahrscheinliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Wahlkampf Gespräche mit den europäischen Atommächten über eine nukleare Teilhabe von Deutschland angeregt. Neben Frankreich wäre dies auch Grossbritannien. Keystone/DPA/Michael Kappeler

Der Hintergrund: Das transatlantische Bündnis zwischen Europa und den USA ist fragiler denn je. Dass Washington weiter als Sicherheitsgarant des Kontinents – inklusive atomarem Schutzschirm auftritt – ist fraglich. Neu ist der Vorstoss Macrons zur Einbeziehung von Partnerländern in die nukleare Abschreckung Frankreichs aber nicht. Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Kehrtwende in der US-Verteidigungspolitik unter Präsident Donald Trump hat die Idee neue Aktualität gewonnen.

Der rote Knopf: Die Entscheidungshoheit über die französischen Atomwaffen bleibe in den Händen Frankreichs, erklärte Macron weiter: «Was auch immer geschieht, die Entscheidung lag und liegt immer in den Händen des Präsidenten der Republik, des Oberbefehlshabers der Streitkräfte», sagte Macron. Was eine Ausweitung des französischen nuklearen Schutzschirms auf Alliierte konkret bedeutet, sagte er nicht. Offen ist etwa, ob französische Atomwaffen in Partnerländern wie Deutschland stationiert werden könnten.

Das Signal nach aussen: Macron wendete sich zur besten Sendezeit an die Nation – aber auch an die Welt. Der französische Präsident betonte, wie er sich in den letzten Wochen um ein Einvernehmen mit Trump bemüht habe. Gemeinsam mit dem britischen Premier Keir Starmer habe er Europa mit Blick auf die Ukraine-Frage aus der Schockstarre befreien wollen.

Macron unmittelbar vor der russischen Invasion bei Putin in Moskau.
Legende: Macron bezeichnete Kremlchef Putin als «Aggressor, der austestet, wie weit er gehen kann, um Europa und seine Werte zu schwächen.» Hier im Bild: Macron unmittelbar vor der russischen Invasion in der Ukraine in Moskau vor drei Jahren. Keystone/AP/Sputnik Kremlin

«Nach innen ging es ihm darum, einer verunsicherten Nation zu zeigen, dass hier ein Chef das Ruder in der Hand hält und umsichtig, aber mit starker Hand die Nation durch den Sturm führt», bilanziert SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann. Macron sei nach den letzten Wahlniederlagen innenpolitisch geschwächt. Dass er auf aussenpolitischem Parkett Stärke signalisiere, komme in Frankreich aber gut an.

Der Sondergipfel: Im Brüssel treffen sich heute die Staats- und Regierungschefs der EU. Das zentrale Thema: Wie soll sich Europa nach dem Zerwürfnis zwischen US-Präsident Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski positionieren? Das Treffen im Weissen Haus war vorzeitig abgebrochen worden, ein geplantes Rohstoffabkommen kam nicht zustande, die USA setzten ihre Waffenhilfe aus.

Auf dem EU-Sondergipfel soll es um die Erhöhung der Verteidigungsausgaben gehen, um die Ukraine weiter zu unterstützen und die europäische Verteidigungskapazität deutlich zu verbessern. In seiner Rede sagte Macron, man dürfe nicht in Kriegstreiberei verfallen. «In dieser Welt voller Bedrohungen können wir aber auch nicht die Arme verschränken: Der Kontinent ist stark, wenn er die Zeichen der Zeit erkennt.»

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Heute Morgen, 06.03.2025, 6:05 Uhr ; 

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