Polen rüstet auf. Das Land kauft 96 US-Kampfhelikopter bei Boeing. Kostenpunkt: rund 9 Milliarden Euro. Der Deal wird voraussichtlich heute Dienstag offiziell besiegelt. Die sogenannten Apache-Helikopter gelten als die modernsten der Welt. Polen verfügt – wenn dereinst alle Maschinen ausgeliefert sind – über die weltweit zweitgrösste Flotte dieser Helikopter – hinter den USA, vor Israel. Der polnische Journalist Jan Opielka kennt die Hintergründe und die Auswirkungen dieses Kaufs.
SRF News: Braucht Polen tatsächlich derart viele dieser Kampfhelikopter?
Jan Opielka: Das hängt davon ab, wie man die tatsächliche Kriegsgefahr für Polen, die von Russland ausgeht, bewertet. Viele in Polen sehen diese als wahrscheinlich.
Polen wurde schon mehrmals Opfer seitens der Sowjetunion.
Zum anderen hängt das auch davon ab, inwieweit die polnische Führung und auch die Bevölkerung glaubt, im vermeintlichen Kriegsfall auf sich alleine gestellt zu sein. In Polen gibt es nur wenige kritische Stimmen zu diesem Deal. Einige Fachleute sagen, die Anzahl der Helikopter sei zu viel und mit 9 bis 10 Milliarden Euro zu teuer. Es könnte auch Probleme geben, diese Maschinen in die Streitkräfte einzugliedern.
Ist es vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine nachvollziehbar, dass Polen stark aufrüsten will?
Natürlich. Polen ist Nachbarland der Ukraine. Und es ist nachvollziehbar, wenn man die Historie betrachtet. Polen wurde schon mehrmals Opfer seitens der Sowjetunion. Beispielsweise beim polnisch-sowjetischen Krieg 1920. Und 1939 wurde Polen vom Osten durch die Sowjetunion Stalins überfallen, zwei Wochen nach dem Überfall Hitlers auf Polen. Die damaligen Bündnispartner Grossbritannien und Frankreich haben entgegen den vorherigen Zusagen nicht eingegriffen. In Polen spricht man vom Verrat des Westens. Das Trauma sitzt tief.
Die Abhängigkeit von den USA wächst.
Dieser Helikopterkauf war noch von der nationalkonservativen PiS-Partei eingefädelt worden. Ist er auch in der neuen Regierungskoalition von Donald Tusk unbestritten?
Er ist offiziell unbestritten, sonst würde es nicht zu diesem Deal kommen. Aber es gibt Anzeichen für Zweifel an den hohen Rüstungsausgaben von 4 Prozent des BIP. Anfang Juli sind Papiere aus dem Verteidigungsministerium aufgetaucht, die 28 Kürzungen bis 2025 belegen sollen. Die Regierung dementiert dies allerdings, wahrscheinlich weil sie weiss, dass in der Bevölkerung Ängste bestehen und mögliche Kürzungen von einem Grossteil negativ bewertet würden.
Polen kauft einen Grossteil seiner Waffen inzwischen in den USA. Besteht die Gefahr einer Abhängigkeit?
Ja, die Abhängigkeit wächst. Nicht nur für Polen, sondern auch für andere EU-Staaten, die verstärkt in den USA einkaufen. Die Offsetverträge, die normalerweise einheimischen Unternehmen zum Beispiel in Form von Service oder Leistungen zugutekommen sollten, sind aus polnischer Sicht negativ zu bewerten. Polen hat dort nicht viel verhandelt. Das hängt mit der schwachen Verhandlungsposition Polens zusammen: Man hat das Gefühl, man muss so schnell wie möglich aufrüsten. Das steigert definitiv auch das Abhängigkeitsverhältnis.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.