Was ist passiert? Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat angekündigt, dass er das Kriegsrecht – das er nur Stunden zuvor ausgerufen hatte – wieder aufheben werde. In einer live im Fernsehen ausgestrahlten Rede hatte er die Opposition des Landes beschuldigt, mit Nordkorea zu sympathisieren. Der ausgerufene Ausnahmezustand ziele darauf ab, «pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen und die verfassungsmässige Ordnung der Freiheit zu schützen». Die Nationalversammlung verlangte die Annullation des Ausnahmezustandes. Alle 190 anwesenden Abgeordneten stimmten für den Antrag. Gemäss dem Präsidenten werden die Soldaten, die er angeblich zur Sicherung des Kriegsrechts aufgeboten hatte, nun wieder abgezogen.
Wie reagieren Mitglieder von Yoons Regierung und Partei? Die regierende Volksmacht-Partei (PPP) will Präsident Yoon im Amt halten, obwohl sie dessen Ausrufung des Kriegsrechts abgelehnt hat. Sie kündigte an, gegen ein von der oppositionellen Demokratischen Partei im Parlament eingebrachtes Amtsenthebungsverfahrens zu stimmen.
Mehrere Minister im Kabinett von Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol wollen einem Medienbericht zufolge ihre Ämter niederlegen. Nach Meldungen der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap zählen dazu unter anderem Finanzminister Choi Sang Mok, Bildungsminister Lee Ju Ho, Justizminister Park Sung Jae und Verteidigungsminister Kim Yong Hyun. Sie wollen demnach die Verantwortung für das Verhalten von Yoon übernehmen.
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Bild 1 von 8Legende: Die Demokratische Partei, die grösste Oppositionspartei Südkoreas, forderte den sofortigen Rücktritt von Präsident Yoon und kritisierte dessen Handlungen scharf. Reuters/Yonhap
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Bild 2 von 8Legende: Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat am Dienstag überraschend das Kriegsrecht ausgerufen und nur Stunden später wieder aufgehoben. Reuters/The Presidential Office/Handout
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Bild 3 von 8Legende: Südkoreanische Soldaten drangen zeitweise in das Parlamentsgebäude ein, mittlerweile haben sie dieses aber wieder verlassen. AP/Kim Ju-sung/Yonhap
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Bild 4 von 8Legende: Alle politischen Aktivitäten seien verboten worden und die Medien stünden unter der Aufsicht der Regierung, erklärte Armeechef Park An-su in einer Erklärung, die auf die Ausrufung des Kriegsrechts folgte. Hubschrauber landeten auf dem Dach des Parlamentsgebäudes in Seoul, wie aus Live-Bildern von Fernsehsendern hervorgeht. AP Photo/Lee Jin-man
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Bild 5 von 8Legende: Die Opposition bezeichnete das Kriegsrecht als illegal und rief die Bevölkerung dazu auf, sich aus Protest vor dem Parlament zu versammeln. Hunderte Menschen folgten dem Aufruf. Reuters/Kim Hong-Ji
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Bild 6 von 8Legende: Im Innern des Gebäudes kam es zu tumultartigen Szenen. Die Armee warnte, dass sie das Kriegsrecht solange durchsetzen werde, bis es vom Präsidenten aufgehoben werde. Reuters/Yonhap
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Bild 7 von 8Legende: Mitglieder der Demokratischen Partei, errichten eine Barrikade, um Soldaten am Zutritt zur Nationalversammlung zu hindern. Reuters/Yonhap
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Bild 8 von 8Legende: In einer Erklärung des Parlamentspräsidenten hiess es Medienberichten zufolge, mit der Zustimmung zur Resolution im Parlament sei die Ausrufung des Kriegsrechts nichtig. Dieses müsse demnach aufgehoben werden. Reuters/Kim Hong-Ji
Wie sah die Lage vor Ort aus? Wie die amtliche Nachrichtenagentur Yonhap berichtete, war der Zugang zum Parlament, der Nationalversammlung in Seoul, blockiert. Alle politischen Aktivitäten, einschliesslich Protesten sowie Parteiaktionen galten als verboten. Das Kriegsrecht schränkte auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen ein.
Wie reagieren Yoons politische Gegner? Die Opposition hat die Massnahmen scharf kritisiert und Yoon zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Der grösste Gewerkschaftsverband des Landes hat einen unbefristeten Generalstreik ausgerufen. Dieser soll so lange dauern, bis der Präsident zurücktritt.
Was sind mögliche Hintergründe? Yoon Suk Yeol steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmasslicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt. Zudem streitet die Regierungspartei mit der Opposition um das Budget für 2025.
Was bedeutet das für die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel? Diese haben sich seit Monaten verschärft. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea laut Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes und des US-Verteidigungsministeriums mehrere tausend Soldaten nach Russland.
Wie sind die Geschehnisse einzuordnen? Gemäss SRF-Ostasien-Korrespondent Samuel Emch ist bislang unklar, welche Auswirkungen das Manöver in Seoul haben wird. Yoon sei zurzeit politisch gelähmt, weil die Opposition seit den Wahlen diesen April die Mehrheit im Parlament stellt. So seien zum Beispiel die Budgetverhandlungen für das nächste Jahr blockiert. «Daneben setzt die Opposition die Regierung nun mit Amtsenthebungsverfahren gegen verschiedene Kabinettsmitglieder unter Druck.» Die Zustimmungswerte für den Präsidenten seien zuletzt tief gefallen, so Emch.