Ist es ein Hauskrach? Oder gar ein kleiner Krieg? Wenn man den britischen Zeitungen glauben kann, läuft es in Downing Street gerade nicht so rund. In den vergangenen Wochen kam es immer wieder zu seltsamen Indiskretionen.
So sickerten vertrauliche Textnachrichten von Premierminister Boris Johnson an die Öffentlichkeit durch. Beispielsweise die Anfrage eines Unternehmers, der sich höflich nach Möglichkeiten der Steuervermeidung erkundigte und dem Johnson offenbar zugesichert hat, sich um das Problem zu kümmern.
Cummings schiesst umgehend zurück
Solche Gefälligkeiten werden von der Öffentlichkeit nicht goutiert. Die Verwaltung machte sich deshalb eiligst auf die Suche nach dem Leck und kam zum Schluss, dass die Quelle der Indiskretionen Johnsons früherer Chefberater Dominic Cummings sei. Diesen öffentlich an den Pranger zu stellen, erwies sich jedoch nicht als gute Idee.
Der Mann, der für seine wenig zimperlichen Methoden berüchtigt ist, schoss sofort zurück: Er sei erstens nicht die Quelle der Indiskretionen, teilte Cummings mit. Zudem sei er erschüttert, wie inkompetent der Premierminister regiere. Auch habe er alle vertraulichen SMS und Mails, die er je von Johnson erhalten habe, durchgesehen. Die gesuchten Indiskretionen seien nicht darunter.
Cummings hat noch haufenweise Munition
Was wie eine Beruhigung klingt, ist eine versteckte Drohung: Der Chefideologe des Brexits sitzt auf einem ganzen Berg von Munition, die für den Premierminister brandgefährlich werden könnte. Als kleine Kostprobe erwähnt Cummings die «dumme und unethische Finanzierung» der Renovation von Johnsons Dienstwohnung in Downing Street.
Diese soll gemäss britischen Zeitungen umgerechnet knapp 80'000 Franken gekostet haben und sei von Sponsoren aus der Regierungspartei berappt worden. Etwas, was durchaus als verkappte Parteispende bezeichnet werden könnte.
Umgehend betonte die konservative Partei am Wochenende, Johnson habe die Renovation selber bezahlt. Die Opposition möchte das nun aber genauer wissen und fordert eine Untersuchung.
Kreativität wird nicht immer goutiert
Nonkonformes Handeln kann gelegentlich selbst für eine Regierung angebracht sein. Während der Pandemie hat sich die Kreativität des Premiers für Grossbritannien als Glücksfall erwiesen: Früh hat Johnson unbürokratisch Expertinnen und Experten aus der Privatwirtschaft und Wissenschaft mit der Beschaffung von Impfdosen beauftragt und diese mit allen Vollmachten und Ressourcen ausgestattet. Das hat sich bewährt und wurde geschätzt.
Bei der Vergabe von Aufträgen, dem Gewähren von Steuererleichterungen oder der Renovation von Dienstwohnungen hingegen kommt solch freihändiges Gebaren nicht gut an. Wie viel Munition Cummings noch abschiesst, wird sich zeigen.
Eine Lektion hat er seinem ehemaligen Chef bereits erteilt: Boris Johnson, der als Kind «König der Welt» werden wollte, hat es zwar zum Premierminister eines Königreichs gebracht. Doch Downing Street ist ein Regierungssitz und kein Königspalast einer Feudalherrschaft.