Der «Master of Dark Arts» sei er, der «Meister der dunklen Künste», schreibt die britische Zeitung «Guardian» über Dominic Cummings, den höchsten Berater von Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson. Er sei der Denker und Lenker hinter der Brexit-Strategie. Ob die Saat aufgeht, werde man erst nach den Neuwahlen sehen, sagt Pascal Meisser von der «Finanz und Wirtschaft».
SRF News: Wer ist dieser Dominic Cummings, der Mann, der die Geschicke der konservativen Partei in Grossbritannien zu lenken scheint?
Pascal Meisser: Dominic Cummings ist sogar in Grossbritannien ein sehr unbekannter Mann, weil er sich sehr gut im Hintergrund zu halten vermag. Wenn man ihn auf Bildern betrachtet, sieht er ein wenig wie ein verschrobener Professor aus. Er hat eine sehr hohe Stirn, wenig Haare. Er kommt auf den ersten Blick etwas ungepflegt daher, er trägt oft einen Dreitagebart.
Er hält sich auch nicht an die Kleiderkonventionen, die gerade in Grossbritannien sehr wichtig sind. Begleiter von ihm sagen, sie hätten ihn noch nie mit Krawatte gesehen. Er trägt Jeans, ungebügelte Hemden – nichts, was man von jemandem, der so im Vordergrund steht, erwarten würde.
Man sagt, er sei der Strippenzieher hinter dem harten Brexit, den Boris Johnson nun durchboxen soll. Ist er wirklich so mächtig?
Cummings ist auf seine eigene Art ein Genie. Er war der wichtigste Kopf der «Vote Leave»-Kampagne vor drei Jahren. Er hat gezeigt, dass er eine solche Kampagne erfolgreich durchziehen kann. Das hat ihm das Ansehen gebracht, auf das nun auch Johnson setzt. Darum wurde er in die Regierung berufen.
Sie haben geschrieben, die neue Brexit-Taktik des Premiers trage Cummings' Handschrift. Was ist das für eine Handschrift?
Seine Handschrift beruht auf Rücksichtslosigkeit. Er kämpft mit allen Mitteln für seine Ziele. Das hat man bei der Suspendierung des Parlaments gesehen. Eigentlich ein in dieser Länge sehr unübliches Vorgehen. Man hat aber auch gesehen, dass 21 Konservative aus der Partei geworfen wurden, weil sie nicht linientreu abgestimmt hatten. Das deutet darauf hin, dass das Cummings' Idee war. Man weiss es nie zu 100 Prozent, aber man kann davon ausgehen.
Diese Woche hat sich das Parlament für eine Brexit-Verschiebung ausgesprochen. Dann hat es Johnson Neuwahlen verwehrt. Wie passen diese Niederlagen zu Cummings' gutem Ruf als gewiefter Stratege?
Man muss sich vorstellen, Cummings hat jetzt drei Jahre lang quasi nichts gemacht seit dem Sieg der «Vote Leave»-Kampagne. Er sass zu Hause, pflegte seinen eigenen Blog und setzte sich darin sehr intensiv mit diversen Dingen auseinander. Doch er wollte wieder zurück auf die politische Bühne.
Er kommt mir vor wie ein Sportler, der vor lauter Übermotiviertheit einen Fehlstart nach dem anderen produziert.
Er kommt mir ein bisschen so vor wie ein Sportler, der nach einer langen Verletzungspause wieder in den Wettkampf zurückkehrt und dann vor lauter Übermotiviertheit einen Fehlstart nach dem anderen produziert. Wahrscheinlich wäre es sinnvoll gewesen, wenn er sich ein bisschen zurückgehalten hätte und nach und nach Druck aufgebaut hätte.
Halten Sie es für möglich, dass Johnsons Stippenzieher Cummings am Ende auch zum Totengräber des Premiers werden könnte?
Das könnte durchaus sein. Im Moment sehe ich eher die Tendenz, dass Johnson die nicht Linientreuen aus der Partei heraus haben möchte. Er setzt vielmehr auf die Stimmen derjenigen, die im Moment in einer Art Brexit-Party sind. Wir werden wahrscheinlich erst in den nächsten Wochen, nach den vorgezogenen Neuwahlen, sehen, ob die beiden wirklich Erfolg haben.
Das Gespräch führte Hanna Jordi.