Für Wuhan endet heute die Abschottung. In der chinesischen Stadt, die als Ausgangspunkt der Coronavirus-Pandemie gilt, wurden seit einigen Wochen die Quarantäne-Massnahmen schrittweise gelockert. Neu dürfen die Menschen auch wieder aus der Stadt ausreisen. Nach Schätzungen der Regierung werden rund 50'000 Menschen Wuhan verlassen – die aber nicht überall problemlos einreisen können, schildert China-Korrespondent Martin Aldrovandi.
SRF News: Zehntausende Menschen wollen heute die Stadt verlassen. Was sind die Gründe dafür?
Martin Aldrovandi: Die Menschen haben verschiedene Beweggründe. Manche wollen einfach weg, weil sie so lange in Quarantäne ausharren und mit der Angst leben mussten. Viele sind in Wuhan steckengeblieben, leben aber eigentlich anderswo. Und dann gibt es noch Menschen, die ursprünglich aus Wuhan stammen, jetzt aber in einer anderen Stadt leben und nur auf Besuch waren, als die Quarantäne verhängt wurde.
Ist es schwierig, aus der Stadt auszureisen – oder können jetzt alle, die wollen, einfach gehen?
Nein. Man muss auf der App, mit der alle Bewegungen der Chinesen verfolgt werden, ein grünes Licht haben. Und man kann auch nicht überall einreisen: Es gibt Provinzen, die einen Test verlangen. Dann gibt es Orte, wo die Menschen zwar einreisen dürfen, aber bestimmte Wohnsiedlungen oder Bürohäuser ihre eigenen Bestimmungen zum Einlass haben. Die Hauptstadt Peking besitzt die strengsten Regeln: Dort darf nur einreisen, wer sich mindestens 14 Tage in Quarantäne begibt.
Haben die Behörden keine Angst, dass sich das Coronavirus nun wieder ausbreiten könnte, wenn so viele Menschen gleichzeitig aus Wuhan ausreisen?
Die Regierung ist sich des Risikos durchaus bewusst. Sie appelliert auch an die Menschen, unnötige Reisen zu unterlassen. Es wird dazu aufgerufen, weiterhin wachsam zu sein. Das gilt auch für das Leben in Wuhan selbst: Auch da werden nicht alle Geschäfte und Restaurants sofort wieder öffnen. Das läuft gestaffelt ab. Ausserdem gibt es weiterhin viele Kontrollen, die Menschen tragen – wie andernorts – weiterhin Gesichtsmasken.
Mit der Aufhebung der Abschottung soll in Wuhan wieder Normalität einkehren – wie weit ist der Weg dahin noch?
Ich denke, Wuhan ist noch weit davon entfernt. Dass das Epizentrum der Pandemie jetzt wieder geöffnet wird, hat auch einen symbolischen Wert. Die Menschen dort mussten sehr viel durchmachen mit viel Angst und Unsicherheit, viele Menschen sind gestorben.
Die Öffnung von Wuhan hat auch einen symbolischen Wert.
Die Regierung will zeigen, dass man einen weiteren Schritt zurück zur Normalität macht – für ganz China. Um eine weitere Welle zu verhindern, wird der Fokus derzeit stark auf Rückreisen von Menschen aus anderen Ländern gelegt. Ausländer dürfen gar nicht mehr ins Land rein, aber auch bei Chinesen ist man äusserst vorsichtig.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.