Die Lage in Afghanistan ist unübersichtlich und ändert sich von Stunde zu Stunde. Die Schweiz hat bereits die sechs Mitarbeitenden des Deza-Kooperationsbüros in Kabul evakuiert. Es blieben aber noch dreissig afghanische Mitarbeitende, die mit ihren Familien in die Schweiz gebracht werden sollen.
Insgesamt seien das 200 Menschen, erklärt Aussenminister Ignazio Cassis: «Wir sind dran und in Kontakt mit unseren Leuten. Wir suchen so schnell wie möglich Wege, um sie in die Schweiz zu bringen.» Es gebe momentan viele Menschen, die Afghanistan verlassen wollten, aber nur einen militärischen Flughafen, über den sie ausgeflogen werden könnten.
Wir suchen so schnell wie möglich Wege, um sie in die Schweiz zu bringen.
Mit der Einnahme von Kabul durch die Taliban dürfte sich die humanitäre Krise verschärfen. Verschiedene Organisationen fordern deshalb, dass die Schweiz mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen soll.
Organisationen verlangen Visa
Alexandra Karle, Geschäftsführerin von Amnesty International Schweiz sagt: «Wir appellieren an die Schweiz, dass sie humanitäre Visa für Familienangehörige von Afghaninnen und Afghanen zur Verfügung stellt, die schon in der Schweiz leben». Damit könnten diese Menschen möglichst schnell in die Schweiz nachreisen. Der Fokus solle dabei auf Frauen und auf Mädchen sein.
Das verlangt auch das Bündnis unabhängige Rechtsarbeit im Asylbereich und erinnert daran, dass die Schweiz dies zu Beginn des Syrien-Krieges 2013 getan habe. Nora Riss von der Freiplatzaktion Zürich sagt: «Wir fordern, dass alle Personen aus Afghanistan, die sich im Moment in der Schweiz aufhalten, eine vorläufige Aufnahme erhalten.»
Die Schweiz ist immer an der Spitze der Länder, die sich als Erstes bewegen.
Auf die Frage, ob die Schweiz mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen könne, sagt Aussenminister Ignazio Cassis: «Die Schweiz hat die entsprechenden Instrumente dazu, und genau diese Bewertungen machen wir Stunde für Stunde. Wir sind es gewohnt, das flexibel und rasch zu tun. Die Schweiz ist immer an der Spitze der Länder, die sich als Erstes bewegen.»
Es gelte aber, dies in Zusammenarbeit mit anderen Ländern zu tun. Ebenso stelle sich die Frage der Hilfe für Flüchtlinge, die in der Region blieben. So lebten mittlerweile eine halbe Million Menschen aus Afghanistan im benachbarten Iran. Sie müsse man vor Ort unterstützen, aber auch dazu sei eine saubere Lagebeurteilung nötig.
Auf die Frage, ob die Schweiz mit den Taliban verhandle, um etwa die Ausreise von Personen zu ermöglichen, sagt Cassis: «Im Moment sind die Taliban keine Regierung. Daher können wir als Staat nicht mit den Taliban sprechen.» Humanitäre Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) könnten und sollten dies aber tun, um humanitäre Hilfe zu gewährleisten.
Im Moment sind die Taliban keine Regierung. Daher können wir als Staat nicht mit ihnen sprechen.
Die Ereignisse überschlagen sich derzeit, die Botschaft von Aussenminister Cassis ist aber klar: Die Schweiz ist bereit, Hilfe zu leisten, sobald sie weiss, was genau in und um Afghanistan geschieht.