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Auswandern aus Armut Der indische Traum vom besseren Leben in den USA

Indiens Premier Narendra Modi hat Donald Trump versprochen, illegale indische Migranten und Migrantinnen zurückzunehmen. Doch die Leute im vor allem betroffenen Bundesstaat Gujarat denken überhaupt nicht daran, deshalb dort zu bleiben.

Das Dorf Dingucha im nordwestlichen indischen Bundesstaat Gujarat wirkt etwas verschlafen und das liegt nicht nur an der Mittagshitze. «Ein Drittel der Leute sind weg», sagt Wazim, der hier aufgewachsen ist. «Die sind alle in Amerika.» Zurückgeblieben seien nur die Alten, so der 40-Jährige.

Auf die Frage, warum, sagt Wazim nur: «Geld.» Tatsache ist: Selbst mit Uni-Abschluss gibt es oft keine Arbeit in Indien.

Am anderen Ende der staubigen Dorfstrasse von Dingucha sitzt ein halbes Dutzend älterer Männer auf einer Bank. Alle waren in Amerika. Auch der 66-jährige Raman Patel.

«Ich wollte Geld verdienen und ein gutes Leben haben», sagt er in gebrochenem Englisch. In den USA habe er zuletzt bis zu 120 Dollar am Tag verdient.

Im Bauerndorf Dingucha verdienen viele nicht mal drei Dollar am Tag. Wenn sie denn überhaupt Arbeit finden.

Nur die Reise ist riskant

Raman Patel hatte zuletzt einen Sandwichladen in Boston. Sein Sohn besitze dort ein mexikanisches Restaurant. In Indien habe der Sohn selbst mit einem Wirtschaftsabschluss keine Arbeit gefunden. «Wenn du mal in den USA bist, gibt es kein Risiko mehr», sagt Vater Patel.

Wie viele indische Migranten hat Patel illegal in den USA gelebt. «Solange du Steuern zahlst, lässt dich die US-Regierung in Ruhe», sagt ein Banknachbar. Nur die Reise sei riskant.

Menschen ruhen auf dem Boden im Freien.
Legende: Die USA sind beliebt bei indischen Auswanderern. 2023 stellten mehr als 50'000 von ihnen einen Asylantrag in den USA. Und das sind bloss die registriert in die USA eingereisten Inderinnen und Inder. Reuters/Go Nakumara

Alle Männer auf der Bank berichten, dass sie offiziell mit einem Touristen-Visum eingereist und dann einfach geblieben seien.

Wazim, der hier aufgewachsen ist, vermutet aber, dass die Männer über die Donkey-Route gegangen sind, die Esels-Route, also illegal. Das tat auch er selbst vor einigen Jahren. Wenn er in den USA angekommen wäre, hätte er umgerechnet 60'000 Franken an die Vermittler zahlen müssen. Aber er kehrte um.

Schon früher wurden Illegale zurückgeschickt

Vor einem Teeladen in Gujarats Hauptstadt Ahmedabad sitzt Imran. Der Regierungsangestellte kennt die illegalen Einwanderer-Routen und die Leute, die sie organisieren.  

Die Leute denken nicht ans Risiko. Sie denken an Amerika. Und sie denken ans Geld.
Autor: Imran Indischer Regierungsangestellter

«Viele der indischen Vermittler sind in Deckung gegangen, wegen Trump», sagt er. Sie hätten Angst, im Gefängnis zu landen. Auch sechs seiner Freunde seien an der Grenze zu den USA erwischt und zurückgeschickt worden. «Das ist früher auch immer wieder passiert. Jeder weiss Bescheid», sagt er.

Weltweites Schlepper-Netzwerk

Imran berichtet von einem weltweiten Netzwerk, das bestens organisiert sei und Helfer in vielen Ländern habe. Oft geht es gut, manchmal schief. Wie bei den 104 illegalen Migrantinnen und Migranten, die US-Präsident Trump kürzlich zurück nach Indien ausgeschafft hat.

Da sie bereits in den USA angekommen waren, müssten sie die Schlepper bezahlen, sagt Imran. Für die Reise ins Land ihrer Träume hätten sie ihr Land und ihre Häuser verkauft und Kredite bei Verwandten aufgenommen. Das Geld aber sei weg.

Dass dies das Ende der illegalen Migration aus Indien sein könnte, glaubt Imran nicht: In zwei, drei Monaten werde alles weitergehen, wie früher. «Die Leute denken nicht ans Risiko. Sie denken an Amerika. Und sie denken ans Geld.»

Echo der Zeit, 14.2.2025, 18:00 Uhr

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