Frankreichs Bauern sind nicht zufrieden mit den Konzessionen, die ihnen die Regierung übers Wochenende versprochen hat. Sie haben den Druck verstärkt und rücken mit Strassensperren und Traktoren näher an Paris. Sie wollen die Hauptstadt abriegeln und drohen mit einer Belagerung, die auch länger dauern könnte.
Nase voll von immer schärferen Vorschriften
Die Palette ihrer Forderungen ist breit. Rund 120 Punkte habe der grosse nationale Bauernverband vergangene Woche aufgelistet, erklärt ein Landwirt aus dem Departement Oise im französischen Fernsehen. In seinem Departement seien es vor allem die Vorschriften der EU, die Frankreich noch verschärfen wolle. Auch seien die Kontrollen zu streng.
Viele Bauern kommen von weit her nach Paris. Zum Beispiel aus dem Südwesten, der Region zwischen Toulouse und Bordeaux, wo der Protest vor rund zehn Tagen begonnen hat.
Ihr Aufmarsch zur Belagerung von Paris wird auch medial inszeniert. Der Nachrichtensender France Info ist mit einem Bauern unterwegs, der am frühen Morgen in Agen aufgebrochen ist. Die Fahrt nach Paris wird mindestens bis Dienstagabend dauern. Genug Zeit also für Interviews aus der Führerkabine des Traktors.
Der Bauer aus Agen betont, dass die Vereinfachung der Normen nur ein Teil der Forderungen sei: «Wir verlangen auch die kostenlose Stundung von Krediten für ein Jahr und höhere Preise für Weizen.» Er ist überzeugt, dass der Protest von der Bevölkerung breit unterstützt wird. Dies zeige ihm der spontane Applaus auf der Fahrt nach Paris.
Zuerst Paris und notfalls bis nach Brüssel
Wenn dieser Protest nicht fruchte, werde man notfalls nach Brüssel weiterfahren, so der Bauern aus Agen weiter. Er ist mit einem Konvoi der Bauerngewerkschaft «Coordination rurale» unterwegs, einer kleinen Organisation, die dem Rassemblement National nahesteht.
Ihr Ziel ist der Grossmarkt von Rungis, Europas grösste Verteilzentrale für Lebensmittel. Sie wollen diese zentrale Drehscheibe im Lebensmittelhandel lahmlegen, zumindest für einige Tage. Damit die Bevölkerung von Paris spüre, was Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln bedeuten würden.
Nicht alle wollen so weit gehen
Vielen Bauern ist eine Blockade von Rungis jedoch zu radikal. Dem Präsidenten der Jungbauern «Jeunes Agriculteurs» (JA) zum Beispiel, die den Protest bisher zusammen mit dem nationalen Bauernverband geprägt haben.
Es sei keine gute Idee, Bürgerinnen und Bürger zu belästigen, findet JA-Präsident Arnaud Gaillot: «Der Bauernprotest wird gemäss Umfragen von 90 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Mit einer Blockade der Versorgung könnte die Stimmung in der Bevölkerung kippen.»
Rote Linie in Rungis?
Riskant ist eine Bauernblockade bei der Verteilzentrale von Rungis auch, weil die Regierung hier eine rote Linie gezogen hat. Die Polizei hat übers Wochenende rund 15'000 Polizistinnen und Polizisten aufgeboten – auch um diese Blockade zu verhindern.
Kommt es tatsächlich zu Auseinandersetzungen zwischen Bauern und der Polizei, wäre dies ein klarer Bruch mit der bisherigen Strategie. Denn bisher hat die Polizei den Bauernprotest beobachtet, aber jede direkte Konfrontation vermieden.