Deutschlands Bauern gehen auf die Strasse – mit ihren Traktoren legen sie Teile der Bundesrepublik lahm. Ihr Protest gilt den Sparplänen der Ampelregierung: Subventionen und Steuererleichterungen sollen wegfallen. In der Schweiz hat das eidgenössische Parlament vor Kurzem Kürzungen bei der Landwirtschaft abgelehnt. Und als einziger Bereich nebst der Armee muss die Landwirtschaft nicht sparen. Peter Walthard, stellvertretender Chefredaktor der Bauernzeitung, erklärt, was in Deutschlands Agrarpolitik anders läuft als in der Schweiz.
SRF News: Wie unterscheidet sich die Schweizer von der deutschen Agrarpolitik?
Peter Walthard: Die Landwirtschaftspolitik in Deutschland ist so anders nicht. Es sind ähnliche Strukturen. Es gibt eine Landwirtschaft, die auf privaten, relativ kleinen Betrieben basiert. Es gibt Formen von Subventionen. Die Schweizer Landwirtschaft ist wahrscheinlich noch ein bisschen kleinteiliger strukturiert.
Vor allem haben wir ein anderes politisches System.
Es ist ein anderes Marktumfeld. Das heisst, kleine familiäre Betriebe haben vielleicht noch bessere Überlebenschancen, wenn man an die Berglandwirtschaft denkt. Während im EU-Raum doch schon der Druck deutlich grösser ist, grosse Betriebe zu haben, die auch günstig produzieren können.
Könnte es so einen gross angelegten Protest auch in der Schweiz geben?
Die Wahrscheinlichkeit ist deutlich geringer. Es sind zwar ähnliche Probleme, mit der die Schweizer Landwirtschaft zu kämpfen hat, aber es ist doch noch ein höheres Preisniveau. Das politische Umfeld ist günstiger für die Landwirtschaft, und vor allem haben wir ein anderes politisches System. Ich denke, dass in Deutschland ein Gefühl vorherrscht, überhaupt nicht mehr gehört, überhaupt nicht mehr berücksichtigt zu werden in der Politik. In der Schweiz gibt es Konkordanz, direkte Demokratie, Föderalismus, kurze Wege, eine Tradition, in der man Sozialpartner einbindet und das Gespräch sucht. Da ist das Risiko geringer, dass ein solches Misstrauen entsteht, dass dann die Leute sehr emotional reagieren.
Bleibt den Landwirten in Deutschland kein anderes Mittel als der Protest auf der Strasse?
Die Landwirte in Deutschland haben schon auch andere Mittel. Aber es ist ein grösseres Land, es ist ein anderes politisches System. Es gibt keine Konkordanzregierung. Es gibt Koalitionen, die ein klares Programm haben.
Deutschland hat grössere wirtschaftliche Probleme und an vielen Fronten stärker zu kämpfen.
Und wenn man dann in der Opposition ist, in einer Koalition nicht gut vertreten ist, dann ist es sicher schwieriger als in der Schweiz, wo es gewissermassen für jede Berufsgruppe einen Bundesrat gibt, der noch ein bisschen schaut. Die Gewerkschaften werden einen Ansprechpartner finden, die Lehrer werden einen Ansprechpartner finden. Das ist eine Besonderheit unseres Systems.
Ist Deutschland seine Landwirtschaft einfach weniger wert als der Schweiz die ihrige?
Deutschland hat grössere wirtschaftliche Probleme und an vielen Fronten stärker zu kämpfen. Der Spardruck aufseiten des Staates ist grösser. Die Bevölkerung spürt die Krisen stärker, man hat mehr Teuerung, mehr Jobverluste, die Leute haben weniger Geld, und sie haben dann eine gewisse Zukunftsangst. Es geht den Landwirten auch in der Schweiz nicht so gut: Kleine Bergbetriebe, das sind keine reichen Leute. Aber in Deutschland sind jetzt halt viele Betriebe am Limit. Und wenn jetzt noch Subventionen wegfallen oder der Sprit deutlich teurer wird, dann reicht es irgendwann nicht mehr. Das ist eine Existenz, die verloren geht. Entsprechend emotional ist die Reaktion bei vielen.
Das Gespräch führte Amir Ali.