Dass Medienschaffende den Friedensnobelpreis erhalten, ist zwar ungewöhnlich – aber eine Premiere ist es nicht. So erhielt schon Carl von Ossietzky die begehrte Auszeichnung, der als Journalist gegen das Nazi-Regime kämpfte.
Ohnehin interpretiert das zuständige Komitee in Oslo den Begriff Friedensförderung breit. Neben Kämpfern für Abrüstung und Staatsoberhäuptern, die einander tatsächlich die Hand zum Frieden reichten, wurden im Lauf der Jahre auch viele andere Personen und Organisationen ausgezeichnet.
Etwa Menschenrechtsaktivistinnen wie Malala Yousafzai aus Pakistan und Schirin Ebadi aus dem Iran oder Freiheitskämpferinnen wie die Jemenitin Tawakkol Karman. Ausserdem humanitäre Organisationen wie das IKRK oder die Médecins sans Frontières.
Keine Demokratie ohne freie Medien
Für die Auszeichnung von Journalistinnen und Journalisten gibt es gute Argumente. Das wichtigste: Ohne freie Medien gibt es keine Demokratie. Und ohne eine verantwortungsvolle, vom Volk gestützte Regierungsführung ist ein echter Frieden kaum zu erreichen, sowohl zwischen Staaten, als auch innerhalb einzelner Länder.
Zwar gibt es immer wieder von oben verordnete Friedensschlüsse. Doch sie führen selten zu einem gelebten, nachhaltigen Frieden, weil die Bevölkerung gar nicht dahintersteht.
Man tut Maria Ressa und Dmitri Muratow kein Unrecht, wenn man feststellt: Sie erhalten den Preis stellvertretend für viele andere Kolleginnen und Kollegen, die sich ebenfalls für ihre Ideale, für Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Und das unter oft widrigen Umständen.
Trotz Gegenwind standhaft
Maria Ressa tut das auf den Philippinen mit ihrer Nachrichten-Plattform «Rappler» und ihrem Kampf gegen die mörderische Antidrogenpolitik von Präsident Rodrigo Duterte. Immer wieder eingeschüchtert, beschimpft, mit fingierten Anklagen vor Gericht gezerrt, hält Ressa stand, energisch, furchtlos und sogar mit unerschütterlichem Humor.
Gleichzeitig ist Ressa eine der prominentesten Kritikerinnen von Facebook & Co., weil diese Plattformen oft Fake-News-Schleudern sind und extreme Botschaften mit ihren Algorithmen favorisieren. Jetzt, als Friedensnobelpreisträgerin, meint sie trocken: «Wir bleiben dran.»
Preis den Getöteten gewidmet
Dmitri Muratow wiederum widmet seinen Preis nicht zuletzt den zahlreichen getöteten Medienschaffenden in Russland, die ihre Unabhängigkeit mit dem Leben bezahlten – darunter die im Westen wohl bekannteste Journalistin, Anna Politkowskaja.
Muratow ist Mitgründer und Chef der wohl letzten bedeutenden unabhängigen russischen Zeitung «Nowaja Gasjeta», bei der sich viele wundern, dass es sie überhaupt noch gibt.
Schon länger wird vermutet, dass Journalistinnen und Journalisten oder Pressefreiheitsorganisationen weit oben auf der Liste des Friedensnobelpreiskomitees stehen. Das hat sich nun bewahrheitet.
Und es drückt die schwere Besorgnis über die Lage der Medien in der Welt aus: In drei Vierteln aller Staaten steht es prekär bis dramatisch um die Medienfreiheit. Von Jahr zu Jahr gibt es in immer mehr Ländern immer mehr Einschränkungen. Wirtschaftlicher und politischer Druck und Druck krimineller Organisationen kommen zusammen, oft sogar in freiheitlich-westlichen Ländern. Auch die UNO und der Europarat äussern sich alarmiert.
Das Friedensnobelpreiskomitee lanciert mit der diesjährigen Preisvergabe einen unüberhörbaren Warn- und Weckruf: Der freie Journalismus ist vielerorts in der Welt akut in Gefahr.