Vor dem grönländischen Parlament sprach Ministerpräsident Mute Bourup Egede Klartext: «Wir leben in einem entscheidenden Moment in der Geschichte unseres Landes. Jetzt kommt es auf uns Grönländerinnen und Grönländer an, gemeinsam einen Weg in die Zukunft zu wählen.»
Und so kündigte der 38 Jahre alte Regierungschef bei der Eröffnung der Wintersession in dieser Woche vorgezogene Neuwahlen für den 11. März an.
Ein diplomatischer Orkan
Die Zeit drängt: In den letzten Wochen ist die grösste Insel der Welt unvermittelt in einen diplomatischen Orkan geraten. Ausgelöst hat diesen der neue US-Präsident Donald Trump. Er erklärte wiederholt, Grönland unter seine Kontrolle bringen zu wollen.
Sturmböen unterschiedlicher Art hatten den seit 46 Jahren selbstverwalteten Inselstaat, der aussen- und sicherheitspolitisch zum dänischen Königreich gehört, bereits zuvor erfasst: Grund ist der Klimawandel, der Grönland viel rasanter erfasst hat, als andere Teile der Welt.
Das schnelle Abschmelzen des Eises zur See und an Land ermöglicht neue Seefahrtsrouten und legte enorme Rohstoffvorkommen frei. Damit werden Begehrlichkeiten von Grossmächten wie der EU, China, Russland – und zuletzt nun auch den USA geweckt.
Noch vor seinem Amtsantritt schickte Trump seinen Sohn Eric in die grönländische Hauptstadt Nuuk, um Stimmung gegen Dänemark und für die USA zu machen. Dabei verteilte die Trumpdelegation ungeniert Bündel an Dollarscheinen, was vorübergehend zu grossen Spannungen führte und manche Grönländerinnen und Grönländer kurzzeitig gegeneinander aufbrachte.
Grönländer wollen nicht Amerikaner werden
Mit Blick auf die Wahlen von Mitte März wird jetzt aber deutlich, dass die überwiegende Mehrheit des zu grossen Teilen indigenen Inselvolkes wenig bis nichts von einem Anschluss an die USA hält.
Rund 85 Prozent der Befragten sprechen sich laut einer neuen Meinungsumfrage gegen einen solchen Schritt aus. Und im grönländischen Parlament wurde diese Woche ein neues Gesetz beschlossen, das ausländische Geldspenden im anstehenden Wahlkampf verbietet.
Diesen Schritt begrüsst auch Oppositionschefin Nivi Olsen. «Wir müssen alles daran setzen, dass wir unser hart erkämpftes Selbstbestimmungsrecht jetzt nicht wieder verlieren», sagte die Abgeordnete im Inatsisartut, dem grönländischen Parlament.
Grönland muss mehr Verantwortung übernehmen
Mit einer Bevölkerung von gerade einmal 56‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern, verteilt über fast hundert Siedlungen ohne Strassenverbindungen, ist Grönland auf eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ländern in vielen Bereichen angewiesen. Dazu gehört die militärische Verteidigung eines Gebietes zu Land und zur See, das fast drei Millionen Quadratkilometer und eine 44‘000 Kilometer lange Küste umfasst.
Nun wollen die Grönländerinnen und Grönländer auch in diesem Bereich mehr Verantwortung übernehmen: Letzte Woche einigte sich die grönländische mit der dänischen Regierung auf eine milliardenschwere Aufrüstung und eine stärkere sicherheitspolitische Beteiligung Grönlands. Und dass Dänemark hier Grönland erstmals entgegenkommt, hat viel mit den aggressiven Tönen aus Washington zu tun.
Gelingt Grönland der Spagat zwischen den Grossmächten, hat es gute Chancen, bald als neuer, unabhängiger Staat auf die Weltbühne treten zu können. Misslingt ihm das, droht dem Land unter dem Nordpol eine Rückkehr in koloniale Zeiten.