- Bei einer nicht genehmigten Demonstration in Moskau sind mindestens 200 Personen festgenommen worden – darunter der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny.
- Der Protestzug war als Solidaritätsveranstaltung für den Enthüllungsjournalisten Iwan Golunow geplant.
- Dieser war wegen angeblichen Drogenhandels festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden, bevor das Verfahren am Dienstag überraschend eingestellt wurde.
Nach Angaben der Polizei beteiligten sich rund 1200 Menschen an der Kundgebung, wie die Nachrichtenagentur Tass meldete. Rund 200 Personen wurden festgenommen. Auch der Kameramann von SRF wurde verhaftet und eine halbe Stunde in einem Polizeibus festgehalten.
Der Protestmarsch fand am russischen Nationalfeiertag statt. Reporter beobachteten Dutzende Festnahmen. Während Demonstranten in Polizeiwagen gezogen wurden, rief die Menge: «Schande, am Russland-Tag! Habt ihr die Verfassung vergessen?» Ein festgenommener Demonstrant zeigte aus dem Fenster eines Polizeiautos ein Plakat mit der Aufschrift «Ich bin Iwan Golunow».
Die Festnahme des Investigativ-Journalisten Golunow hatte eine Welle des Protests in der russischen Bevölkerung ausgelöst. Zahlreiche russische Kollegen Golunows und internationale Organisationen verurteilten das Vorgehen der Behörden. Drei grosse russische Tageszeitungen waren am Montag mit der Schlagzeile «Ich bin Iwan Golunow» auf der Titelseite erschienen.
Folter in der Haft?
Golunow, der für das unabhängige Investigativ-Portal «Medusa» arbeitet, war am Donnerstag vergangener Woche festgenommen worden. Am Samstag ordnete ein Haftrichter zwei Monate Hausarrest an. Golunow bestritt die Vorwürfe. Die Drogen seien ihm untergeschoben worden.
Der 36-Jährige gab zudem an, im Polizeigewahrsam gefoltert worden zu sein. Am Dienstag teilte Innenminister Wladimir Kolokolzew überraschend mit, die Ermittlungen würden eingestellt und der Hausarrest aufgehoben. Ein derartiges Einlenken gegenüber öffentlichen Protesten kam in den vergangenen Jahren in Russland nur selten vor.
Nach Einschätzung von Kritikern folgte der Fall einem bekannten Muster, wonach Drogen-Vorwürfe konstruiert werden, um Menschenrechtsvertreter und kritische Journalisten in Russland mundtot zu machen. Dass solche Ermittlungen wieder fallengelassen werden, ist äusserst ungewöhnlich.