Vor Kurzem führte in Serbien ein Video zu Diskussionen: In einer Halle sind Arbeiter zu sehen, wie sie längliche Kisten stapeln. Darin soll Raketenmunition sein, die für die Ukraine bestimmt ist, hergestellt von einem serbischen Staatsunternehmen. Die Echtheit der Bilder lässt sich nur schwer überprüfen.
Das Video hat in Russland für Aufregung gesorgt. Es sei eine ernste Angelegenheit, sagte die Sprecherin des russischen Aussenministeriums. Man habe Belgrad zu einer offiziellen Stellungnahme aufgefordert.
Die Liebe Serbiens zu Russland ist irgendwie vorsichtig und nie ganz offen. Es ist keine bedingungslose Liebe.
Serbien wies die Vorwürfe zurück. Es habe keine Waffen geliefert, weder an Russland noch an die Ukraine, sagte Präsident Aleksandar Vucic. Vielmehr handle es sich um einen normalen Verkauf an die Türkei. Mit dem Weiterexport über die Slowakei in die Ukraine habe man nichts zu tun.
«Geschäft ist wichtiger als die Liebe zu Russland»
Für Südosteuropa-Expertin Armina Galijas ist die Erklärung Serbiens durchaus plausibel: «Sie haben sicher nicht Material direkt an die Ukraine verkauft, aber sie haben auch nicht darauf geachtet, dass es nicht doch dort ankommt. In diesem Sinne ist das Geschäft wichtiger als die Liebe zu Russland.» Das überrasche sie nicht weiter. Die Beziehung der beiden Länder sei eher pragmatisch geprägt. «Sie ist irgendwie vorsichtig und nie ganz offen. Es ist keine bedingungslose Liebe.»
Serbiens Liebe zu Russland wurde in den letzten Jahren zu einer immer währenden, slawisch-orthodoxen Bruderschaft hochstilisiert, medial, aber auch von der Politik, gepaart mit anti-westlich geprägten Einstellungen. Die Folgen davon sind Sprayereien und Demonstrationen. Diese Haltung zeigt sich auch in Umfragen, in denen eine Mehrheit in Serbien der Nato die Schuld für den Krieg in der Ukraine gibt.
Ähnlich sieht es auf offizieller Ebene aus: Russland blockiert die Aufnahme Kosovos in die UNO; Serbien hat dagegen keine Sanktionen gegen Russland verhängt.
Pendeln als zentrales Element der Aussenpolitik
Doch Serbien unterstützt Russland nicht bedingungslos. Das Land hat den Krieg in der Ukraine mehrmals verurteilt und betont, dass es die russische Annexion nicht anerkennt. Auch aus anderen Gründen sei der Krieg gegen die Interessen Serbiens, sagt Armina Galijas von der Universität Graz. «Vor allem, weil sich geopolitisch viel verändert. Die Zeit ist gekommen, man sollte eine klare Position einnehmen.»
Das ständige Pendeln zwischen Ost und West – das zentrale Element der serbischen Aussenpolitik der letzten Jahre – wird durch den Ukrainekrieg immer schwieriger.
Tatsächlich gab es zuletzt verschiedene Anzeichen, dass sich Serbien von Russland wegbewegen könnte: So beklagte sich Präsident Vucic über den russischen Einfluss im Land und bekräftigte, dass Serbien auf dem Weg in die EU sei. Expertin Galijas sagt dazu: «Ich könnte mir vorstellen, dass es zu einem Bruch mit Russland kommt. Es gibt Anzeichen dafür.»
Vucic hat diese pro-Putin-Stimmung im Land selbst erschaffen. Nun muss er auch selbst schauen, wie er da herauskommt.
Doch selbst wenn sich Serbien von Russland distanzieren will, geht das nicht von heute auf morgen, denn da ist eine hohe Abhängigkeit von russischem Gas. Aber auch die hohen Sympathiewerte in der Bevölkerung verhindern einen harten Bruch mit Russland. Galijas sagt: «Er hat diese pro-Putin- und pro-Russland-Stimmung im Land selbst erschaffen. Nun muss er auch selbst schauen, wie er da herauskommt.» Vucic hilft dabei, dass der Spielraum Russlands in der Region sowohl wirtschaftlich als auch politisch begrenzt ist.