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Besorgnis in Tokio Trumps Ankündigungen stürzen Japan in eine Krise

Hohe Zölle angedroht, atomarer Schutzschirm in Zweifel. Immerhin: Verhandlungen mit Washington sind im Gang.

Darum geht es: Japan sei in einer «nationalen Krise», sagt Ministerpräsident Shigeru Ishiba. Grund dafür sind die von den USA angekündigten Importzölle für Produkte aus der viertgrössten Volkswirtschaft der Welt. Ab Juli droht Präsident Donald Trump mit Zusatzzöllen in Höhe von 24 Prozent auf die Einfuhr von japanischen Waren in die USA. Bereits sind Verhandlungen zwischen Tokio und Washington im Gange. Ziel sei ein Handelsabkommen mit den USA, heisst es vom zuständigen japanischen Minister.

Trumps Zoll-Orgie

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US-Präsident Donald Trump hatte Anfang April einen Mindestzollsatz von 10 Prozent für alle ausländischen Handelspartner und fast alle Produkte verkündet. Für rund 60 Länder verhängte er sodann teils noch deutlich höhere Aufschläge, darunter 24 Prozent für Japan oder 31 Prozent für die Schweiz.

Eine Woche später vollzog der US-Präsident jedoch eine Kehrtwende und verkündete eine «Zollpause» von 90 Tagen, während derer die betroffenen Länder Angebote machen könnten, damit die von Trump angedrohten Zölle individuell angepasst und womöglich herabgesetzt werden.

Derzeit gilt neben den 10 Prozent Zoll für fast alle Handelspartner und fast alle Güter auch ein Zoll von 25 Prozent für Stahl- und Autoimporte in die USA.

Japan in Schwierigkeiten: Die US-Importzölle von Trump könnten für die Exportnation Japan in der Tat zu grösseren wirtschaftlichen Problemen führen. Ein Drittel der japanischen Ausfuhren in die USA betrifft Autos oder Teile von Autos. Und in diesem Bereich hat Trump den Importzoll bekanntlich bereits von 2.5 auf 25 Prozent verzehnfacht. Damit rentiert der Export von in Japan gebauten Autos in die USA nicht mehr. Die Folge: In Japan werden viele Arbeitsplätze verloren gehen. Darum sucht Tokio jetzt möglichst schnell eine Verhandlungslösung mit Washington. Und diese könnte zu einer Art Blaupause für Abkommen mit weiteren Ländern werden, sagen Beobachter.

Das könnte Japan den USA anbieten

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Zwei Männer im Anzug schütteln sich die Hände vor einer Flagge.
Legende: Letzte Woche empfing Premier Ishiba den US-Botschafter in Japan, George Glass. Dabei dürften auch die anstehenden Verhandlungen zur Sprache gekommen sein. AP

Trumps erklärtes Ziel ist es, das Handelsdefizit der USA zu verkleinern – auch jenes mit Japan. Und so könnte ihm Japan in den jetzigen Verhandlungen um tiefere Zölle anbieten, mehr Flüssiggas, Soja oder Weizen aus den USA zu importieren und Waffensysteme wie das Kampfflugzeug F-35 zu kaufen. Zudem könnte Tokio einen grösseren Teil der Kosten für die Stationierung der 55'000 US-Soldaten in Japan übernehmen.

Auf der Habenseite weiss Tokio, dass die USA Japan brauchen, sollte es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen China und Taiwan kommen. Ausserdem ist Japan der grösste Auslandsgläubiger der USA – Japan besitzt US-Staatsanleihen von über 1 Billion Dollar – und auch der grösste Investor in den USA.

Die Sicherheitsfrage: Was Japans Premier Ishiba mit «nationaler Krise» ebenfalls meinte, ist die Ungewissheit, ob die USA unter Trump ihre Verteidigungspflichten gemäss dem Sicherheitsvertrag zwischen Washington und Tokio erfüllen werden. Denn: «Ohne US-Atomschirm und ohne militärischen Beistand der USA kann sich Japan nicht gegen China verteidigen», sagt der in Japan lebende Journalist Martin Fritz. Die Situation für Tokio sei schwierig: Man sei auf ein gutes Verhältnis mit Peking angewiesen, auch wirtschaftlich. Zugleich wisse man, dass man dort zuweilen mit gespaltener Zunge spreche. Deshalb verlasse man sich im Zweifel eher auf die USA.

Zwei Männer schütteln sich die Hände auf gelbem Sofa.
Legende: Mit dem 2022 ermordeten Shinzo Abe (links) hatte sich Donald Trump überaus gut verstanden. Keystone/Evan Vucci

Spezielles Verhältnis: «Trump fühlt eine Art Hassliebe zu Japan», sagt der Journalist Fritz. So habe sich Trump schon in den 1980er-Jahren darüber aufgeregt, dass Japan die USA mit billigen Autos und Elektronik überschwemmt habe. Auf der anderen Seite sei Trump schwer beeindruckt gewesen vom langjährigen, 2022 ermordeten japanischen Premier Shinzo Abe. Dieser flog nach Trumps erstem Wahlsieg 2016 umgehend nach New York und brachte ihm einen vergoldeten Golfschläger mit. «Trump hat diese Geste nie vergessen und spricht immer noch mit viel Zuneigung von Abe», so Fritz.

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SRF 4 News, 23.4.2025, 6:50 Uhr ; 

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