Es ist der erste offizielle Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit 24 Jahren: Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte sind in Berlin eingetroffen. Das Verhältnis zwischen den beiden Politikern gilt als angespannt. SRF-Deutschlandkorrespondentin Simone Fatzer ordnet ein.
Macron war schon mehrmals in Deutschland, warum jetzt dieser offizielle Staatsbesuch?
Ein solcher Staatsbesuch ist an offizieller Inszenierung nicht zu überbieten. Es geht darum, Achtung und Respekt auszudrücken – also um sehr viel Symbolik. Und dies ist etwas, was die deutsch-französischen Beziehungen stets stark geprägt hat. Der viel beschworene deutsch-französische Motor ist zentral für Europa. Das hat auch viel mit Selbstvergewisserung zu tun.
Wie steht es um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern?
In Wirklichkeit schlecht. Zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz brodelt es bisweilen. Umso wichtiger ist jetzt dieses Format, um das Bild der Einheit zu zelebrieren.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagt, der Besuch solle die Einzigartigkeit der deutsch-französischen Freundschaft feiern: An wen richtete sich die Botschaft?
Da gibt es einige Adressaten in dieser schwierigen geopolitischen Situation mit dem russischen Angriffskrieg: Europa müsste als Einheit wahrgenommen werden – das beginnt eben doch im Kern mit Deutschland und Frankreich – mit entsprechender Wirkung auf die anderen europäischen Staaten. Es ist auch ein Zeichen nach Moskau – auch im Wissen darum, dass sich nach den Wahlen in den USA für Europa einiges ändern könnte.
In welchen Themen wird Einigkeit gesucht?
Wesentliche Differenzen herrschen bei der Verteidigung. Zwar stehen beide Länder voll hinter der Ukraine, angesichts der russischen Aggressionen. Aber die Frage der militärischen Unterstützung spaltet Paris und Berlin. Scholz ist sehr zurückhaltend, während Macron westliche Bodentruppen nicht ausschloss. Gleichzeitig unterstützt Deutschland die Ukraine mit wesentlich mehr Geld als Frankreich.
Differenzen herrschen aber auch bei der Wirtschaft. Da geht es um Zölle – also wie sich Europa vor den massenhaften und billigen chinesischen Produkten schützen soll. Macron steht da für höhere Zölle ein. Die Exportwirtschaft Deutschland ist dafür aber nicht zu gewinnen. Und es gibt strukturelle Unterschiede zwischen den beiden Staaten, die man nicht überwinden kann. Schon alleine die politischen Systeme sind zu unterschiedlich. Hier Deutschland mit seiner schwierigen Geschichte und seiner besonderen Beziehung zu den USA – dort Frankreich als einzige Nuklearmacht mitten in Europa.
Was kann realistischerweise erreicht werden bei diesem Staatsbesuch?
Bemerkenswert ist, dass sich Macron am Montag in Dresden vor der Frauenkirche in einer Rede an die Jugend wendet. Sachsen ist eine Hochburg der Rechtsaussen-Partei AfD. Wir stehen kurz vor den EU-Wahlen. Es wird interessant sein, was er da sagen wird.
Aber: Kaum eine Expertin oder ein Experte erwartet eine Wende in den deutsch-französischen Beziehungen durch diesen Staatsbesuch. Die einen hoffen auf etwas Rückenwind, die anderen befürchten, dass der Besuch am Ende sogar kontraproduktiv sein könnte – falls er im Nichts verpufft. Eines ist klar: Bei den wichtigen Reformen, die in der EU und Nato anstehen, wäre eine positive Dynamik in den deutsch-französischen Beziehungen in vielerlei Hinsicht sehr hilfreich.