Bereits die Tatsache, dass US-Präsident Joe Biden mitten im russischen Krieg gegen die Ukraine in den Fernen Osten reiste, sollte ein Signal sein: Die Supermacht USA lässt sich vom Krieg im Osten Europas nicht völlig absorbieren. Sie will weiterhin neben Russland auch China die Stirn bieten. Biden machte das gleich auf dreifache Weise deutlich:
Allianzen: Er stärkt den politischen Schulterschluss im indopazifischen Raum und versammelte deshalb in Tokio die Führer der bisher noch embryonalen Allianz «Quad»: neben den USA Japan, Australien und Indien. Vorläufig ist die «Quad»-Gruppe bestenfalls eine informelle Allianz. Zusammengeführt durch die wachsende Macht und Ambitionen der chinesischen Führung. Auf ihrem erst zweiten physischen Gipfeltreffen warnten sie China vor jeglicher gewaltsamen Veränderung des Status Quo im indopazifischen Raum. Sie riefen ein maritimes Überwachungssystem ins Leben und planen Infrastruktur-Investitionen in dieser Weltgegend von mindestens fünfzig Milliarden Dollar.
So weit, so einig. Der «Quad»-Schulterschluss hält Indien jedoch nicht von seiner Schaukelpolitik ab. So sehr Delhi Peking militärisch und politisch die Stirn bieten will, so sehr ist es auf gute Wirtschaftsbeziehungen angewiesen. Und rüstungs- und energiepolitisch auf Russland, weshalb es sich den westlichen Sanktionen nicht anschliesst. Indien wird sich nie ganz den USA an den Hals werfen, vielmehr lavieren zwischen dem westlichen und dem chinesisch-russischen Machtblock.
Freihandel: Biden gab auf seiner Asienreise den Startschuss für eine Neugeburt des schon unter Vorvorgänger Barack Obama ausgehandelten Transpazifischen Partnerschaftsabkommens. Es sollte den Ländern im Pazifikraum eine Alternative bieten zur «Goldenen Seidenstrasse» von China und sie aus der wachsenden Abhängigkeit von Peking befreien. Bloss kündigte Präsident Donald Trump 2017 das Abkommen auf – zum Entsetzen der Partnerstaaten. Es war einer der grössten aussen- und wirtschaftspolitischen Fehler Trumps. Der US-Rückzug öffnete China in der Region Tür und Tor. Nun startet Biden eine indes weniger ehrgeizige Neuauflage. Immerhin sind neben den USA Wirtschaftsmächte wie Indien, Japan, Südkorea, Indonesien oder Vietnam versammelt – und damit vierzig Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Taiwan: Politiker beantworten Journalistenfragen selten direkt. Doch auf die Frage, ob die USA Taiwan im Falle eines chinesischen Überfalls verteidigen würde, meinte Joe Biden glasklar: «Ja.» Und ergänzte, die USA hätten dazu eine Verpflichtung.
Dass Biden in der Taiwan-Frage nun bereits zum dritten Mal Klartext redet, zeigt, dass es sich nicht um einen seiner Versprecher handelt. Er rückt gewollt ab von der bisherigen Sprache der Mehrdeutigkeit, die dazu diente, China nicht unnötig zu reizen. Biden setzt jetzt auf Eindeutigkeit. Zumal auch sein Gegenpart in Peking, Staatschef Xi Jinping, inzwischen eindeutig sagt, er wolle sich die demokratisch regierte Inselrepublik Taiwan einverleiben. Beide Seiten ändern weniger ihre Politik, hingegen die Wortwahl. Kommt es zum Krieg, stehen die USA keineswegs als Sieger fest – zu gross dürfte Chinas Heimvorteil sein. Aber der US-Präsident signalisiert: Der Preis für eine Invasion Taiwans wäre hoch.
Joe Biden markierte also während seiner fast einwöchigen Reise Terrain. Er schlug Pflöcke ein und machte deutlich: Die USA sind auch im Pazifik eine Supermacht und wollen das bleiben. Einfach wird das nicht.