Es ist ein heikler Besuch, der heute in Deutschland ansteht: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird in Berlin erwartet. Er trifft dort Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz. Und es dürfte ein angespanntes Treffen werden. Denn Erdogan stellt sich beim Nahost-Krieg klar auf die Seite der Hamas und gegen Israel.
Die Empörung in Deutschland ist gross
Belastet und nicht konstruktiv seien die Beziehungen mit dem türkischen Präsidenten schon lange, sagt Michael Roth. Er leitet den Auswärtigen Ausschuss im Deutschen Bundestag. «Er bleibt ein erratischer, populistischer, zuspitzender, auch auf Beleidigungen setzender Politiker. Das erschwert die Arbeit.»
Weiter meint der SPD-Aussenpolitiker: «Seine jüngsten Attacken, die das Existenzrecht Israels in Zweifel ziehen, seine Sympathiebekundungen gegenüber der Hamas, die er als Befreiungsorganisation und nicht als Terrororganisation bezeichnet hat, sind völlig inakzeptabel und belasten die Beziehungen weiterhin.»
Gerade jetzt ist es wichtig (...) mit denjenigen zu sprechen, die bislang ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind.
Wegen dieser Aussagen von Erdogan wurden in Deutschland Stimmen laut, es sei falsch, mit ihm als politischem Partner zu sprechen.
Roth aber sagte vor der Auslandspresse in Berlin, man könne sich seine Gesprächspartner nicht aussuchen. «Gerade jetzt ist es wichtig, mit denjenigen zu sprechen, die bislang ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Es muss mehr für Frieden und für Deeskalation getan werden.» Erdogan habe vor allem auch der Türkei geschadet, die jetzt keine Brückenbauerfunktion mehr wahrnehmen könne.
Klartext an die Adresse von Erdogan?
Die Empörung über die anti-israelische Hetze Erdogans ist gross, doch parteiübergreifend ist man sich einig: Gespräche ja, aber es bedarf der sehr klaren Worte.
Eine Aufforderung an Kanzler Scholz. Der sagte im Bundestag zum heutigen Treffen: «Wir werden immer über die Dinge reden, die zu besprechen sind – auch über unterschiedliche Ansichten. In dieser Frage ist ganz wichtig, dass Klarheit herrscht und man seine eigene Position sehr deutlich vorbringt.»
Aufgeheizte Stimmung auf Berlins Strassen
Der Besuch beschäftigt aber nicht nur die Politik. Für viele Türkinnen und Türken in Deutschland ist Präsident Erdogan ein Held. Er versteht es, sie in ihrem Nationalstolz anzusprechen und hat grossen Einfluss. Zusätzlich sorgt der Nahost-Konflikt auch in Berlin für aufgeheizte Stimmung auf den Strassen.
Es sind mehrere Demonstrationen angesagt, und das Fussballspiel Deutschland gegen die Türkei vom Samstag zieht nationalistische Fans in die Hauptstadt. Es herrscht also Anspannung bei den weit über 1000 Sicherheitsbeamten, aber wohl auch bei den Spitzenpolitikern. Sie werden sich bestimmt auf mögliche verbale Entgleisungen des unbequemen Gastes gefasst machen.