Der Auftakt zum Jubiläumsgipfel der Nato ist US-Präsident Joe Biden gelungen. Pompös und feierlich. Dazu eine kraftvolle Rede, wie man sie von ihm länger nicht mehr gehört hat. Biden, der Transatlantiker. Biden, der Mann, der Partnerschaften schmieden kann, wie er nach dem russischen Angriff auf die Ukraine einmal mehr bewiesen hat.
Er betont: «Putin verlangt nicht weniger als die Unterwerfung der Ukraine und will sie von der Landkarte tilgen.» Geht es um die Nato, bewegt sich Biden auf festem Grund und in der langen Tradition, das weltpolitische Gewicht der USA zu erhöhen, in dem man verlässliche Verbündete an Bord holt.
Dennoch bleibt Biden während des Gipfels unter intensiver Beobachtung. Wie meistert er die vielen Arbeitssitzungen? Wie wirkt er als Gastgeber beim Galadiner im Weissen Haus? Wie bei all den bilateralen Treffen? Dazu Sitzungen mit Staaten in Ostasien, die – wie Japan, Südkorea oder Australien – enger mit der Nato kooperieren, ausserdem ein Treffen des Nato-Ukraine-Rates, zum Schluss eine Pressekonferenz – ein Marathonprogramm.
Wie schwer sich der 81-Jährige neuerdings damit tut, wurde im Juni deutlich auf dem G7-Gipfel in Apulien. Vor allem, wenn er frei reden, spontan antworten muss. Deshalb sind Bidens Alter und Bidens Gesundheit auch auf dem Nato-Spitzentreffen ein ständiges Thema.
Danach gefragt, weicht Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg aus. Seine Antwort lenkt er auf Bidens Engagement für die Nato. Dieses ist unbestritten. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz meint auf die Frage, ob Bidens Gesundheitszustand ein Problem sei: «Nein, diese Sorge habe ich nicht.» Auch er lenkt ab: «Aus den vielen Gesprächen, die ich mit dem amerikanischen Präsidenten geführt habe, weiss ich, dass er diesen Gipfel sehr gut und sehr präzise vorbereitet hat, mit uns zusammen.»
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wiederum sagt, gefragt nach einer neuerlichen Präsidentschaft von Donald Trump: «Ich hoffe, ich hoffe sehr, die USA erwägen niemals ernsthaft einen Austritt aus der Nato.»
Besser als Biden gibt es nicht für die Nato
Doch Biden ist angeschlagen. Gleichzeitig wissen alle Nato-Mitglieder: Einen besseren als ihn als De-facto-Chef der Allianz werden sie nicht kriegen. Das Problem für das Militärbündnis ist relativ neu. Jahrzehntelang änderte sich zwar die US-Politik, wenn der Präsident wechselte – ausser beim Thema Nato. Da blieb Washingtons Verpflichtung unerschütterlich, von Harry Truman bis zu George W. Bush.
Eine zaghafte Änderung gab es dann mit Barack Obama, der das US-Augenmerk weniger auf Europa und stärker auf Asien lenkte. Eine Erschütterung folgte hernach mit Donald Trump. Joe Biden korrigierte und reparierte den Schaden wieder. Schnell und energisch.
Kein anderer als der US-Präsident kann die Leitfigur im Bündnis sein. Und kein künftiger amerikanischer Präsident – es muss nicht mal Donald Trump sein – wird diese Rolle noch so überzeugt und so überzeugend ausfüllen wie Biden. Denn aus Washingtoner Perspektive wird China noch wichtiger; Europa verliert an Bedeutung. Das wird jede neue Präsidentschaft aussen- und sicherheitspolitisch prägen.
Joe Biden dürfte also aus Nato-Sicht der letzte US-Präsident seiner Art sein. Das macht dessen Schwächeln erst recht schmerzlich.
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