Die Organisation «Reporter ohne Grenzen» zieht zum Jahresende Bilanz: eine Mischung aus positiv und negativ. «Ein Jahr, wie viele es sind», sagt Bettina Büsser. Sie ist freie Journalistin und Sprecherin von «Reporter ohne Grenzen» in der Schweiz.
Positiv sei, dass seit 2003 weltweit noch nie so wenige Journalistinnen und Journalisten wegen ihres Berufs getötet wurden. Negativ seien die vielen Journalistinnen und Journalisten hinter Gitter. «Noch nie seit 1995 waren so viele Journalisten und Journalistinnen im Gefängnis wie heute», sagt sie. 488 an der Zahl. Gegenüber dem letzten Jahr ist das ein Anstieg von 20 Prozent.
Journalismus und Demokratie
Diese Zahl dient auch als Indikator zum Zustand der Demokratie. Denn Informationsfreiheit sei ein Teil der Menschenrechte. «Somit sagt die Situation der Medienschaffenden immer etwas aus über die Menschenrechte und über die Demokratie.»
Besonders viele inhaftierte Medienschaffende gibt es in Myanmar, Belarus und China. «Diese drei Länder sind Teil eines Trends, nämlich dass sich Staaten zu autoritären Regimes entwickeln. Man will dort keine anderen Stimmen hören als diejenigen des Regimes. Informationsfreiheit und Menschenrechte werden unterdrückt», sagt Büsser.
Die freie Journalistin rechnet damit, dass sich Staaten, die sich in Richtung autoritäre Regimes entwickeln, das weiterhin tun werden. «Das sind nicht schöne Aussichten, weil das immer auch Konsequenzen für die Informationsfreiheit hat.»
Auffällig sind die vielen Frauen hinter Gitter. 60 Journalistinnen sind derzeit wegen ihrer Arbeit inhaftiert. Das resultiere aus der positiven Entwicklung, dass der Anteil der Frauen im Journalismus zunehme, erklärt Sprecherin Büsser.
Auch in weiteren Teilen von Europa sitzen Medienschaffende in Haft. Die Türkei bildet ein wichtiges Beispiel. Die Regierung und die Justiz gehen seit der Niederschlagung des Putschversuchs 2016 hart gegen unabhängige und kritische Journalistinnen und Journalisten vor. Dutzende sind in Haft.
Lage in der Schweiz
Die Grundlage der Presse- und Informationsfreiheit in der Schweiz sei stabil und gut, sagt die Sprecherin von «Reporter ohne Grenzen». «Die Schweiz gehört zu den Top-Ten-Ländern in unserer Rangliste.»
Es gebe jedoch zwei «Aber». Das eine sei die wirtschaftliche Situation. «Den Medien geht es wirtschaftlich nicht gut. Das bedeutet auch immer Stellenabbau und Medienkonzentration.» Es gebe weniger Stimmen als früher, so Büsser. «Vielfalt ist ein wichtiges Kennzeichen von Informationsfreiheit.»
Das zweite Problem sei die zunehmende Aggressivität gegen Medienschaffende. Die gebe es überall auf der Welt, gerade im Zusammenhang mit Corona-Demonstrationen. «Kolleginnen und Kollegen werden beschimpft, geschlagen, bespuckt. Sie werden sehr aggressiv und ablehnend angegangen.» Es sei eine beängstigende Entwicklung. «Man glaubt ihnen nicht, dass sie einfach ihre Arbeit tun wollen, sondern man hat das Gefühl, sie seien Gegner.»
Wie es für die Presse- und Informationsfreiheit weitergehen wird, könne sie nicht konkret sagen, so Büsser. Aber die Erfahrung zeige, dass immer wieder erfreuliche Dinge geschehen und beispielsweise neue Gesetze in Kraft treten oder verändert werden, die die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten erleichtern. «Und es gibt einen Lichtblick; die Hoffnung, dass möglichst viele Leute Journalismus als etwas anschauen, das wichtig ist und darum gut gemacht werden soll.»