Die Welt der Weltraumforschenden ist in Aufruhr: Die Nasa hat das erste farbige Bild des James-Webb-Teleskops veröffentlicht. Es zeigt verschiedene Lichter, die von Galaxien und Sternen stammen. Die Lichter sind Milliarden Jahre alt. Man erhält also quasi Einblick in die ferne Vergangenheit unseres Universums. Wissenschaftsjournalistin Felicitas Mokler erklärt, welche Geheimnisse das Teleskop lüften könnte.
SRF News: Was erkennen Sie auf dem Bild der Nasa?
Felicitas Mokler: Was man sieht, wurde für uns sichtbar gemacht. Denn das Teleskop macht Beobachtungen im infraroten Bereich, in dem wir mit unseren Augen nicht sehen können. Die weisslichen Objekte sind eine gewaltige Ansammlung von Galaxien. Mit ihrer Masse wirken sie wie ein riesengrosses Teleskop für Galaxien, die in viel grösserer Entfernung wirken. Sie lenken deren Licht wie ein Teleskop ab und verstärken es. So können wir über einen Gravitationslinseneffekt ganz weit in die Vergangenheit blicken. Bei den gebogenen, rötlichen Lichtern handelt es sich um Galaxien, die hinter dem Galaxien-Cluster liegen.
Was macht dieses Bild für Sie so einzigartig?
Ich habe mir am Montag die Aufnahmen angeschaut, die das Hubble-Teleskop von der gleichen Region gemacht hat. In der neuen Aufnahme sieht man viel mehr Details.
Einzigartig macht das Ganze auch, welche Möglichkeiten uns das James-Webb-Teleskop noch bietet. Die Aussicht darauf, wie weit wir tatsächlich zurück an den Beginn des Universums blicken können. Das wird erst einmal 50 bis 200 Millionen Jahre nach dem Urknall sein. Dadurch werden wir die Entwicklung der allerersten Sterne und Galaxien beobachten können. So weit zurück können wir bisher noch gar nicht blicken.
Welche Erkenntnisse lassen sich schlussendlich aus solchen Bildern ziehen?
Eine grosse Frage der Wissenschaft ist zum Beispiel, ob zuerst die Sterne oder die Galaxien entstanden sind. Weiter beschäftigt die Frage nach der dunklen Materie alle. Wir wissen noch immer nicht, woraus sie besteht. Es gibt die relativ neue Hypothese, dass diese dunkle Materie verglichen mit der uns bekannten Materie gar nicht merkwürdig ist. Stattdessen könnte sie aus schwarzen Löchern bestehen, die auch kein Licht aussenden. Das könnte man eventuell aufgrund verschiedener Entwicklungsszenarien der ersten Galaxien, die man mit dem James-Webb-Teleskop nachvollziehen kann, in die eine oder andere Richtung bestätigen.
Moleküle, die auf Leben hindeuten können, sind im infraroten Bereich besonders aktiv.
Was erwarten Sie von den weiteren Bildern, die heute noch vom neuen Teleskop veröffentlicht werden sollen?
Das James-Webb-Teleskop wird nun erst einmal alle Möglichkeiten, die es hat, ausreizen. Wir haben nun gesehen, wie weit entfernt man damit blicken kann. Im Kosmos gibt es aber auch in unserer näheren Umgebung sehr spannende Dinge. Diese kann man im Infrarot-Bereich noch viel genauer betrachten. So etwa extrasolare Planeten, also Planeten bei anderen Sternen ausserhalb unseres Sonnensystems. Zudem will sich die Nasa einen Gasnebel anschauen, in dem viele Sterne entstehen. Im sichtbaren Licht ist er undurchsichtig, im infraroten Bereich kann man ihn aber durchblicken.
Diese Gebiete hat man sich schon früher angeschaut. Mit dem James-Webb-Teleskop dürften aber viele Details sichtbar werden, von denen man bisher gar nichts wusste. Zuletzt sind Moleküle, die auf Leben hindeuten können, im infraroten Bereich besonders aktiv. Im Spektrum würde man also Anzeichen dafür sehen, ob etwa bestimmte Aminosäuren in der Atmosphäre von fremden Planeten vorkommen.
Das Gespräch führte Basil Koller.