Elisabeth Dias ist auf dem Weg zur Kirche von Guaribas, die Bibel in der Hand. Einmal pro Woche putzt sie die Kirche, gemeinsam mit anderen Frauen. Sie sind sich einig: Präsident Jair Bolsonaro ist ein guter Mann. Das sagt ihnen auch der Priester immer wieder. Bolsonaro war bereits im Wahlkampf einen Pakt mit evangelikalen Kirchen eingegangen. «Er ist der erste, der im Präsidentenpalast eine Messe gefeiert hat, das gab es noch nie, wir stehen hinter ihm», sagt Dias.
Der 5000-Einwohner-Ort Guaribas war vor zwei Jahren in Brasilien in allen Nachrichten: Fast 98 Prozent wählten hier den Kandidaten der linken Arbeiterpartei. Heute aber stehen viele hinter Bolsonaro. Der Grund: die Corona-Soforthilfe der Regierung. Seit April bekommen 40 Prozent der erwachsenen Brasilianer eine finanzielle Coronahilfe in Höhe von umgerechnet rund 100 Franken. Für viele ist es das einzige Einkommen.
Im September wurden die Hilfen nun zwar auf die Hälfte reduziert – doch auch das ist noch immer mehr als alles, was es zuvor an Unterstützungen gab. Besonders im armen Nordosten des Landes haben deshalb viele ihre Meinung geändert. Einst eine Hochburg der linken Arbeiterpartei, hat Bolsonaro ausgerechnet dort hohe Zustimmungswerte, wo einst Lula-Land war. Dass Bolsonaro ursprünglich gegen Coronahilfen in dieser Höhe war und sich das Parlament gegen ihn durchsetzte, scheint in Guaribas niemand mitbekommen zu haben.
Umfragehoch dank Coronahilfen
International wird der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hart kritisiert – wegen der Amazonas-Brände, weil er Anti-Corona-Massnahmen torpediert, weil er im Verdacht steht, seine Söhne vor Nachforschungen der Polizei zu schützen. Auch in Brasilien gibt es immer wieder Proteste gegen seine Regierung.
Dann kam Bolsonaro und viele sagten, dass er nicht gut für uns wäre, dass er eine Diktatur wolle, wir waren gegen ihn. Aber das hat sich geändert.
Aber: In Umfragen schneidet der Ultrarechte so gut ab wie noch nie seit seinem Amtsantritt. 40 Prozent der Bevölkerung bewerten die Arbeit der Bolsonaro-Regierung als gut oder sehr gut, deutlich mehr als bei früheren Umfragen. Der Anteil der Befragten, die seine Regierung ablehnen, sank von 38 auf 29 Prozent.
Auch in Guaribas, am Kaffeetisch bei Elisabeth Dias zu Hause, ist man dankbar für die monatliche Unterstützung. Nachbarin Ilsa Alves Nunes erklärt: «Die Arbeiterpartei war unser Ein und Alles. Dann kam Bolsonaro und viele sagten, dass er nicht gut für uns wäre, dass er eine Diktatur wolle, wir waren gegen ihn. Aber das hat sich geändert.»
Ist die neue Unterstützung von Dauer?
Ob die Unterstützung der neuen Bolsonaro-Anhänger von Dauer ist, wird sich noch zeigen: Die Bewohner von Guaribas können sich bisher über die Coronahilfen freuen, ohne unter dem Virus zu leiden. Noch ist niemand an Covid-19 erkrankt.
Die Coronahilfen wird es nicht für immer geben. Dann wird es den Leuten schlecht gehen, sie werden mit dem Geld verwöhnt.
Doch nicht alle im Ort haben die Seiten gewechselt. Raimundinha Correa da Silva ist Ex-Präsident Lula bis heute dankbar: Er habe das fliessende Wasser in die Stadt gebracht. «Die Coronahilfen wird es nicht für immer geben. Dann wird es den Leuten schlecht gehen, sie werden mit dem Geld verwöhnt.»
Die Rentnerin macht sich zudem Sorgen um die Armen in Brasilien: «Wie Bolsonaro über das Coronavirus spricht, ist arrogant. Er mag nicht daran glauben, dass die Krankheit schlimm ist. Aber: Wenn die Reichen krank werden, gehen sie zum Arzt. Wenn die Armen krank werden, sterben sie.»
Bolsonaro besuchte die Region – ohne Maske
Guaribas war bisher schwer zu erreichen. Doch nun ist eine Überlandstrasse im Bau, nur 20 km Asphalt fehlen noch. Dafür danken die Menschen in der Region einem: Bolsonaro. Als der Präsident vor ein paar Wochen in einen Nachbarort zu Besuch kam, wurde er mit Jubel empfangen. Wie so oft, setzte er auch dieses Mal den Mundschutz ab und es schien niemanden zu stören.
Das gesundheitspolitische Versagen der Regierung lastet auch Ilsa Alves Nunes der Bolsonaro-Regierung nicht an, im Gegenteil: «Das Coronavirus tötet, aber Bolsonaro hat keine Angst. Er ist trotzdem zu uns gekommen und hat alle umarmt. Er ist ein zugänglicher Mensch. So einem muss man helfen und ihn wählen.»