Der Mensch träumt schon lange von humanoiden Robotern, die ihm den Alltag erleichtern und Gesellschaft leisten. Die Erfüllung dieses Traums ist näher als man denkt. Verschiedene Hersteller sind weltweit in den Startlöchern, allen voran chinesische Unternehmen.
Wie weit das Land ist, zeigte sich jüngst an der Weltroboterkonferenz in Peking. An der Messe wurden 27 menschenähnliche Roboter vorgestellt. Bis auf den Optimus von US-Autobauer Tesla stammten alle präsentierten Modelle von chinesischen Firmen.
Für besonders viel Aufmerksamkeit sorgte Unitree. Das Start-up aus der südchinesischen Stadt Hangzhou bringt als eine der ersten Firmen weltweit einen humanoiden Roboter auf den Markt. Unitree hat seinen Roboter G1 letzten Mai vorgestellt. Die Serienproduktion soll noch im vierten Quartal dieses Jahres starten.
Humanoider Roboter bald für 14'000 Franken erhältlich
Laut Unitree-Marketingmanagerin Qian Yuqi gibt es bereits erste Bestellungen aus dem In- und Ausland: «Zu Beginn dürften vor allem wissenschaftliche Forschungseinrichtungen unseren Roboter kaufen, um darauf ihre eigene Software zu testen.» Ebenfalls Interesse zeigten diverse Industriebetriebe, welche die humanoiden Roboter für einfache Montage- oder Fliessbandarbeiten einsetzen wollten.
Der G1 kann dank künstlicher Intelligenz einfache Aufgaben wie zum Beispiel das Knacken von Walnüssen selbständig erledigen. Ein Roboter wird 99'000 chinesische Yuan kosten. Das sind umgerechnet rund 14'000 Franken und ist verhältnismässig günstig. Unitree begründet den tiefen Preis unter anderem mit der Grösse. Der G1 ist nur 1.30 Meter gross und wiegt 35 Kilogramm.
China ist bei Vermarktung am schnellsten
Unitree ist nicht die einzige chinesische Firma, die auf den Markt drängt. Auch Kepler und Ubtech haben angekündigt, noch in diesem Jahr mit dem kommerziellen Vertrieb beginnen zu wollen. Damit ist China, wenn es um die Vermarktung geht, weltweit am schnellsten.
Die USA, welche neben China führend sind bei der Entwicklung von menschenähnlichen Robotern, hinken bei der Markteinführung hinterher. So wird der Autobauer Tesla seinen Allzweckroboter Optimus frühestens Ende 2025 auf den Markt bringen. Und Robotik-Pionier Boston Dynamics hat für seinen Atlas noch kein Datum für den Start der Serienproduktion bekannt gegeben.
Staatliche Unterstützung und Vorteile bei Lieferkette
Das chinesische Tempo kommt nicht von ungefähr und wird von ganz oben vorangetrieben. Peking betrachtet die Robotik als Schlüsseltechnologie. «Die Roboterindustrie hat weitreichende Perspektiven und ein riesiges Marktpotenzial», erklärte Premierminister Li Qiang bei seinem Besuch an der Weltroboterkonferenz. Roboter seien ein «wichtiger Massstab für technologische Innovation und High-End-Produktivität».
Laut dem offiziellen Fahrplan der chinesischen Regierung soll die Massenproduktion von humanoiden Robotern 2025 breitflächig starten. Bereits 2027 sollen die menschenähnlichen Maschinen in der Realwirtschaft integriert sein. Um diese Ziele zu erreichen, fördert Peking die heimische Robotikindustrie massiv. Chinesische Firmen profitieren von staatlichen Subventionen und können aggressiv in Forschung und Entwicklung investieren.
Aber nicht nur die staatliche Förderung treibt das Tempo voran. Firmen können in China innerhalb eines Jahres eine Fabrik eröffnen und sie können die allermeisten Komponenten für ihre Roboter im Land selber beziehen. Hinzu kommt, dass China mit seiner 1.4-Milliarden-Bevölkerung über den grössten Binnenmarkt der Welt verfügt.
Mensch ist Robotern nach wie vor überlegen
Auch wenn bald die ersten humanoiden Roboter auf den Markt kommen, so schnell wird der Mensch nicht ersetzt. Roboter verfügen zwar über die besseren Komponenten, können aber trotzdem weniger. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der ETH Zürich, welche letztes Jahr erschienen ist.
Professor Robert Riener hat für die Studie 27 humanoide Roboter mit dem Menschen verglichen. So kann ein Roboter zum Beispiel dank seiner Kameras und Mikrofone viel besser sehen und hören als wir, aber bei komplexen Bewegungen wie dem Greifen nach unterschiedlichen Gegenständen ist er dem Menschen weit unterlegen.
Humanoide Roboter stecken weltweit noch in den Kinderschuhen.
«Kein humanoider Roboter kann mit der Geschicklichkeit und Vielseitigkeit menschlicher Bewegungsfunktionen konkurrieren», schreibt Robert Riener in seiner Studie. Es werde noch dauern, bis Roboter universelle Arbeiten, wie zum Beispiel die Altenpflege oder das Haushalten, vollständig autonom übernehmen können. Als Erstes werden die humanoiden Roboter laut Robert Riener in die Fabrikhallen einziehen. Dort ist die Arbeitsumgebung weniger komplex und besser kontrollierbar.
Auch Qian Yuqi von Unitree warnt vor anfänglich zu hohen Erwartungen: «Humanoide Roboter stecken weltweit noch in den Kinderschuhen.» Trotzdem mache die Markteinführung Sinn. «Es geht auch darum, den Markt zu testen und Bedürfnisse zu erkennen», so Qian Yuqi.
Dereinst mehr humanoide Roboter als Menschen?
Der Markt steht zwar erst am Anfang, ist aber auf dem Weg zu Milliardenumsätzen. Erste Pilotprojekte laufen. So testen aktuell verschiedene Autobauer wie zum Beispiel BMW, Mercedes-Benz oder Tesla humanoide Roboter in der Produktion.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass der weltweite Markt für humanoide Roboter 2035 bereits 38 Milliarden US-Dollar erreichen könnte. Noch weiter mit seiner Prognose geht der Tesla-Gründer Elon Musk. An der letzten Hauptversammlung seines Konzerns verkündete er: «Es wird dereinst mehr humanoide Roboter als Menschen geben.»