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Brandsätze in der Luftfracht Mutmassliche Anschlagsversuche: Steckt Russland dahinter?

Brisante Recherche: «Wegwerfagenten» sollen versucht haben, Brandsätze in den europäischen Flugverkehr zu schleusen. Hinter den Sabotageakten soll der russische Geheimdienst stecken.

Was sich liest wie ein Geheimdienst-Thriller, entspringt tatsächlich der Realität: «Es dauert fünf Tage, dann herrscht hinter den Kulissen helle Aufregung», so beginnt die Recherche von WDR, NDR und der «Süddeutschen Zeitung».

Die deutschen Medien rekapitulieren, was sich im Juli 2024 an europäischen Flughäfen zugetragen hat: Erst geht am Flughafen Leipzig ein Paket in Flammen auf. Tags darauf in Warschau, und schliesslich brennt auch in Birmingham ein Paket. Dort wirft man es ohne Hintergedanken in den Abfall.

Brandermittler und Sicherheitsbehörden erkennen aber schnell: Die brennenden Pakete sind kein Zufall, sondern sollten gezielt in die Luftfracht über Europa eingeschleust werden. «Spezialisten der britischen Anti-Terror-Einheiten ahnen: Europa könnte knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt sein», heisst es im Bericht.

Spuren führen nach Russland

Die Recherche zeigt: Die Brandsätze in den Paketen hätten nicht am Boden, sondern in der Luft hochgehen sollen. Und: Hinter den mutmasslichen Anschlagsplänen soll der russische Militärgeheimdienst GRU stecken. Zu diesem Ergebnis seien europäische Sicherheitsbehörden gekommen, erklärt Manuel Bewarder, der als Reporter an der Recherche mitgearbeitet hat.

«Wir haben mit Ermittlern in verschiedenen Ländern gesprochen», sagt der Investigativjournalist von WDR und NDR. Demnach sollen sogenannte «Wegwerfagenten» an den Aktionen beteiligt gewesen sein, die womöglich gar nicht wussten, für wen sie arbeiteten.

Die Ermittler sollen auch auf die Spur der Hintermänner gekommen sein. «Diese konnten sie russischen Behörden zuordnen», so der deutsche Journalist. Das Recherchenetzwerk konnte mehrere Verdächtige in dem vertraulich geführten Ermittlungsverfahren identifizieren – darunter hochrangige Mitarbeiter des GRU. Im Verdacht steht unter anderem ein Oberst des russischen Militärgeheimdienstes.

Deutscher Verfassungsschutz alarmiert

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Das Recherchenetzwerk nahm seine Arbeit im vergangenen Oktober auf. Damals bezeichnete es der Chef des deutschen Verfassungsschutzes als «glücklichen Zufall», dass das Paket am Flughafen Leipzig am Boden und nicht während des Fluges in Flammen aufgegangen sei. Sonst wäre es zu einem Absturz gekommen, sagte Thomas Haldenwang damals im Bundestag.

Nach Informationen der deutschen Nachrichtenagentur DPA warnte Haldenwang das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags zudem vor Naivität im Umgang mit Russland. Präsident Putin habe Deutschland längst zum Feind erklärt und man beobachte ein «aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste». Insbesondere auch Sabotageakte hätten zugenommen – quantitativ wie qualitativ.

Die Journalistinnen und Journalisten kamen auch an Aufnahmen des Brandsatzes im DHL-Logistikzentrum am Leipziger Flughafen. Die Recherchen zeigten, dass es sich um einen magnesiumbasierten Brandsatz handelte, der sich nicht mit Wasser löschen lässt.

Bewarder spricht von einer perfiden Methode, die wahrscheinlich zu einem Absturz hätte führen können. «Ein solches Feuer im Bauch eines Flugzeuges zu löschen, wäre enorm schwierig geworden.»

Die russische Botschaft in Berlin bestreitet, dass Moskau hinter den Vorfällen steckt. Es handle sich um «Paranoia» und «Verschwörungstheorien». Ein neues Phänomen sind mutmasslich von Russland durchgeführte Sabotageakte in Europa jedoch nicht. «In ähnlich gelagerten Fällen, die sich in Europa zugetragen haben, gab es auch Geständnisse von Beteiligten. Sie bestätigten, im Auftrag Russlands gehandelt zu haben», sagt Bewarder.

Die Brandsätze an Flughäfen seien nur ein Ausschnitt umfassender Sabotagepläne, hinter denen Russland vermutet werde, schliesst der Journalist. Darunter beispielsweise Drohnenflüge über militärische Infrastruktur oder ein Brandanschlag auf ein Warenhaus in London, in dem Hilfsmaterial für die Ukraine lagerte.

SRF 4 News, 24.4.2025, 6:45 Uhr ; 

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