Russlands mutmassliche hybride Kriegsführung stellt Deutschland vor wachsende Herausforderungen. So gehören Cyberangriffe, Sabotage und Desinformation womöglich zu den Mitteln, mit denen Russland versucht, Deutschlands Ukraine-Politik zu beeinflussen. Der Sicherheitsexperte Nico Lang beleuchtet die Methoden der russischen hybriden Methoden und deren potenziellen Einfluss auf politische Entscheidungen in Deutschland.
SRF News: Können Sie anhand eines aktuellen Beispiels Russlands hybride Kriegsführung in Deutschland belegen?
Nico Lange: Es gibt viele Beispiele. Das auffälligste in der letzten Zeit waren russische Drohnen, die von einem Forschungsschiff in der Ostsee über militärische Einrichtungen in Deutschland geflogen sind und Informationen gesammelt haben.
Hat diese hybride Kriegsführung Einfluss auf die deutsche Unterstützung für die Ukraine?
Das muss man befürchten. Deutschland ist gegen einige Elemente der russischen Kriegsführung nicht besonders gut gesichert. Wenn Russland demonstriert, dass es in der Lage wäre, erheblichen Schaden an der deutschen Energieinfrastruktur anzurichten, könnte das Entscheide, wie Waffenlieferungen an die Ukraine, beeinflussen.
Experten sehen die russische Gefahr sehr realistisch und stufen sie als hoch ein.
Was will Russland damit in Deutschland erreichen?
Russland hat die Vorstellung, dass sie mittels hybriden Kriegs andere Staaten und deren Aussen- und Sicherheitspolitik beeinflussen können, ohne militärische Gewalt. Das trifft auch auf Deutschland zu. Das ist kein neues Phänomen. Aber es ist mit der deutschen Unterstützung für die Ukraine akut geworden.
Wie gut wirkt das in Deutschland?
Es hat eine Wirkung. Insbesondere, weil die deutsche Sicherheitsarchitektur nicht ausreichend gegen hybride Angriffe geschützt ist. Russland konnte über Jahrzehnte ungestört Instrumente aufbauen. Da geht es nicht nur um Cyberangriffe und Desinformation, sondern auch um Sabotage, physische Operationen bis hin zu Morden. Diese Verletzlichkeit kann sich auf politische Entscheidungen auswirken.
Das deutsche Innenministerium sagt: «Unsere Sicherheitsbehörden sind hervorragend vernetzt und arbeiten eng zusammen, auch mit internationalen Partnern.» Ist das Schönfärberei?
Das kann richtig sein, und trotzdem nicht genug. Die deutschen Nachrichtendienste im Inland haben nicht genügend Befugnisse und sind auf ausländische Dienste angewiesen. Diesen Zustand muss man bereinigen.
Wie schätzt man in Deutschland die russische Gefahr ein?
Experten sehen die russische Gefahr sehr realistisch und stufen sie als hoch ein. Aber in der breiten Gesellschaft und bei vielen Politikern wird die Gefahr oft unterschätzt. Die Wahrnehmung für die russische hybride Kriegsführung, die gegen uns läuft, ist viel zu schwach. Häufig ist es auch ein «Nicht-wahrhaben-wollen», so nach dem Motto «es kann nicht sein, was nicht sein darf».
Russland verfolgt eine imperialistische Angriffsagenda.
Der Bundesnachrichtendienst hat letzte Woche gesagt, Russland sei bis spätestens 2030 kriegsbereit gegen die Nato. Will Russland einen Krieg mit dem Westen riskieren?
Russland will testen, ob die Kohäsion zwischen den Partnern des Westens hält; und diese sprengen. Es verfolgt eine imperialistische Angriffsagenda und wird diese Agenda fortsetzen, wenn es nicht gestoppt wird. Insofern muss man diese Warnung des Bundesnachrichtendienstes sehr ernst nehmen. Man muss sich nicht nur fragen, wie man sich verteidigt, sondern auch, wie man Russland von diesem Kurs abbringen kann. Das geht nicht durch Wunschdenken, sondern nur durch Stärke.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.