Ein brasilianischer Verfassungsrichter hat die Strafurteile gegen Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva aufgehoben. Damit wäre eine potenzielle Kandidatur des populären Links-Politikers bei der Wahl im kommenden Jahr möglich.
Richter Edson Fachin sprach einem Gericht in der Stadt Curitiba am Montag überraschend die Zuständigkeit zur Verhandlung von Korruptionsvorwürfen gegen Lula ab. Stattdessen müssten Bundesgerichte in der Hauptstadt Brasilia den Fall neu aufrollen.
Lula darf politisches Amt bekleiden
«Es geht also alles wieder von vorne los», sagt David Karasek, Südamerika-Korrespondent von SRF. «Das alles dürfte Jahre dauern. Bis ein Entscheid vorliegt, ist Lula frei.»
Und damit auch «frei», sein Polit-Comeback zu planen: So darf sich die ehemalige Galionsfigur der Linken wieder um ein politisches Amt bewerben. Er könnte somit 2022 den aktuellen Präsidenten Jair Bolsonaro herausfordern.
«Die Entscheidung versetzt Brasilien in Aufruhr», so Karasek. Seine Anhänger feiern, seine Gegner sehen sich einmal mehr darin bestätigt, dass die brasilianische Justiz korrupt und das Oberste Gericht gegen Bolsonaro sei.
Vorgezogener Wahlkampf in Brasilien
Bolsonaro kritisierte den Gerichtsentscheid postwendend. Der Richter habe schon immer enge Verbindungen zu Lulas Partei gehabt, das Urteil werde keinen Bestand haben. «Und ich glaube auch nicht, dass die Menschen in Brasilien einen Präsidentschaftskandidaten wie Lula haben wollen.»
Das Duell Bolsonaro gegen Lula wird die Gesellschaft polarisieren und in die beiden extremen Lager spalten.
Es wird erwartet, dass sich der Rechtsaussen-Politiker Bolsonaro um eine Wiederwahl bewirbt. Karasek geht davon aus, dass auch Lula erneut antreten wird. Allerdings muss die Entscheidung des Richters noch vom gesamten Obersten Gerichtshof bestätigt werden.
Experten rechnen damit, dass das Gremium dies tun wird. «Der Wahlkampf für Ende 2022 wird also schon jetzt losgehen. Und Bolsonaro wird zu populistischen Massnahmen greifen, um gegen Lula zu punkten», prognostiziert Karasek.
«Perfekter Gegner» für Bolsonaro
Der Präsident steht allerdings in der Kritik. Die Corona-Pandemie hat Brasilien hart getroffen. Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Kollaps, und auch die Impfkampagne verläuft chaotisch. Bolsonaros Zustimmungswerte liegen derzeit hinter denjenigen seines möglichen Kontrahenten Lula.
Allerdings: «Für Bolsonaro ist Lula der perfekte Gegner, da er wieder das alte Lied über seinen korrupten Kontrahenten singen kann.» Der ehemalige Präsident stehe für alles, was Bolsonaros Gefolgschaft ablehne.
Ein neutraler Kandidat hätte dem Land gutgetan, schliesst der Korrespondent. Das sei nun aber kaum mehr möglich: «Das Duell Bolsonaro gegen Lula wird die Gesellschaft polarisieren und in die beiden extremen Lager spalten.»