Seit Anfang Jahr ist in Brasilien Präsident Jair Bolsonaro im Amt – das Leben ist für die Ureinwohner deutlich schwieriger geworden. Bolsonaro stellt sich hinter die Goldsucher und damit gegen die indigenen Stämme. FAZ-Korrespondent Tjerk Brühwiller weiss mehr über die Hintergründe.
SRF News: Wie stellt sich die Situation für die Indigenen im Brasilien unter Bolsonaro dar – sieben Monate nach dessen Amtsantritt?
Tjerk Brühwiller: Unter den Indigenen Brasiliens herrscht eine allgemein angespannte Stimmung. Nach der Ermordung eines ihres Anführers durch illegale Goldsucher im Nordwesten des Landes sind sie empört und verängstigt. Sie fühlen sich schutzlos und vom Staat im Stich gelassen. Die Signale, welche Bolsonaro aussendet, haben die Unsicherheit noch verstärkt.
Wieso stellt sich Präsident Bolsonaro hinter die Goldsucher?
Schon im Wahlkampf hatte er angekündigt, dass er den Indigenen keinen Zentimeter lassen und ihre Gebiete für den Bergbau freigeben werde. Ein entsprechendes Gesetz ist denn auch in Vorbereitung. Dieses zielt auf eine Freigabe des Bergbaus in Territorien der Indianer. Sie wiederum kritisieren, dass sie keinerlei Möglichkeit hätten, bei dem Gesetz mitzureden.
Bolsonaro will indigene Gebiete für den Bergbau freigeben.
Was bedeutet es für die Ureinwohner, wenn dieses Gesetz so durchkommt?
Es wäre zu befürchten, dass die Zahl der illegalen Goldgräber im Amazonien weiter zunehmen würde. Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensraum der Indigenen und auf die Natur – schon jetzt ist die Belastung einiger Gewässer mit Quecksilber bedenklich hoch.
Zudem können die indigenen Gemeinschaften betroffen sein, etwa, wenn manche Indianer das einfache Geld sehen, wenn sie mit weissen Goldgräbern zusammenarbeiten. Das aber führt zu Streit und Spannungen innerhalb der indigenen Gemeinschaften, was diese wiederum noch mehr schwächt.
Bolsonaros Erklärungen sind quasi Einladungen zur illegalen Waldrodung.
Neben der Rohstoffausbeutung sorgt auch die von Bolsanaro proklamierte Abholzung des Regenwalds für riesige Probleme – dabei wäre die Abholzung eigentlich von der brasilianischen Verfassung her verboten...
Tatsächlich ist in der Verfassung der Schutz der Indianer-Territorien, die meist aus Wäldern bestehen, festgeschrieben. Doch unter Bolsonaro hat die Abholzung der Wälder in den ersten Monaten dieses Jahres stark zugenommen – er will die Strafen für Umweltdelikte erklärtermassen senken und die Kontrollen weiter abbauen. Das grenzt an eine Einladung zur illegalen Abholzung. Hinzu kommt, dass Bolsonaro die Satelliten-Auswertungen zur Abholzung anzweifelt und kritisiert.
China möchte den Import von Soja aus Brasilien weiter ausweiten, was mit ein Grund für die Abholzung der Wälder ist...
Tatsächlich ist China Hauptantreiber der Soja-Produktion in Brasilien. Das verstärkt sich durch den Handelsstreit mit den USA, weil China von dort keine Sojaprodukte mehr bezieht. Sowieso geht schnell vergessen, dass die Wälder vor allem aus wirtschaftlichen und nicht politischen Interessen abgeholzt werden.
Brasiliens Wirtschaft könnte auch ohne Abholzung weiterhin wachsen.
Brasilien lebt zu einem guten Teil vom Export von Rohstoffen und Agrarprodukten. Doch es gibt auch Studien, die zeigen, dass Brasiliens Wirtschaft ebenso gut ohne weitere Abholzung von Wäldern wachsen könnte. Die Abholzung ist also keine Voraussetzung für Wohlstand und Fortschritt – wie das Bolsonaro und seine Anhänger gerne weismachen.
Das Gespräch führte Barbara Büttner.