Chile hat bereits mehr als zehn Prozent seiner 19 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner geimpft. Und: Das Land dürfte wohl das erste Schwellenland sein, dass die Herdenimmunität erreicht, schreibt die Bank JP Morgan in einem Bericht. Wie macht Chile das?
Was sind die Gründe für diesen Impferfolg? Chile hat sich nach offiziellen Angaben insgesamt 35 Millionen Impfdosen zugesichert. Das Land hat einen bunten Mix bei verschiedenen Herstellern eingekauft. Aber es gibt noch zwei weitere Gründe, warum es so gut läuft. Erstens: Chile hat schon immer sehr umfangreich und genau geimpft. Es gibt eine Impfinfrastruktur, die bestens funktioniert und seit Jahrzehnten ausgetestet wird. Zweitens: Chile hat einen funktionierenden Staat – das haben nicht alle Länder Südamerikas. Bei Chile ist es anders: Es gibt überall Impfzentren, Gesundheits-Anlaufstellen und schlussendlich überall eingespielte Behörden.
Was hat die breite Palette an Impfstoffen ermöglicht? Eine breite Versorgung ist nicht selbstverständlich, denn Südamerika ist Schauplatz eines weltpolitischen Machtkampfes vor allem zwischen den chinesischen, russischen und den westlichen Impfstoffen. Chile agiert geschickt zwischen den globalen Machtblöcken. Die Regierung ist der Meinung, dass die politische Ausrichtung sekundär ist. Es gibt somit keine aussenpolitischen Beweggründe gegen diese Impfstrategie. Chile macht eine rein handelspolitische Überlegung damit der Impfplan wegen möglicher Lieferengpässen nicht in Verzug kommt. Chile gilt auch als zuverlässiger Zahler.
Kann die Regierung aus diesem Impferfolg Kapital schlagen? Dieser gelungene Impfstart ist ein innenpolitischer Erfolg und den benötigt Präsident Sebastián Piñera dringend. Er hat katastrophale Umfragewerte. Eine erfolgreiche Impfkampagne gibt der Regierung Aufwind. Aber hier ist wichtig zu betonen, dass das nur eine Verschnaufpause ist. Das Vertrauen in die Elite und in die Regierung ist derart gering – die gesellschaftlichen Zerwürfnisse sind so gross – da hilft so ein Impftempo nicht wirklich.
Entsteht nun auch ein Impftourismus? Der schnelle Fortschritt der Impfkampagne hat sich herumgesprochen. Es werden bereits medizinische Reisen nach Chile angeboten. Der Innenminister hat aber angekündigt, den Impftourismus zu verbieten – Touristen sollen keine Impfung erhalten. Es ist aber in der Regierung eine Debatte darüber entstanden, dass man eine Herdenimmunität nur erreicht, wenn alle Teile der Bevölkerung Zugang zur Impfung haben. Daher wird wahrscheinlich entschieden, dass auch Leute mit verschiedenen Aufenthaltsbewilligungen die Impfung erhalten werden.
Hat diese Entwicklung eine Signalwirkung? Die anderen Länder, auch wenn sie die Impfstrategie Chiles kopieren würden, sind viel zu spät. Aber auch, wenn andere südamerikanische Länder viel mehr Impfdosen hätten: In den meisten Ländern fehlt die Struktur – sie können gar nicht organisiert mit einem gewissen Tempo Massenimpfungen durchführen. Einzig Uruguay: Das Land ist ähnlich strukturiert wie Chile. Sobald das Land Impfstoffe hat, kommt es auch schnell vorwärts. So könnte Uruguay in Südamerika zu einem zweiten Musterknaben werden.