Die kleinen Boote zu stoppen, das ist das grosse Wahlversprechen der britischen Regierung. Wer illegal den Ärmelkanal überquert und nach Grossbritannien kommt, soll nach Afrika ausgeschafft werden. Das war die Idee, welche der damalige Premierminister Boris Johnson vor zwei Jahren versprochen hat. Und dabei ist es geblieben. Seit 700 Tagen debattiert das britische Parlament darüber. Die einen finden, es sei der einzige richtige Weg, um abzuschrecken. Die anderen empfinden es als unwürdig und als einen Verstoss gegen die Menschenrechte.
Nun wird die Zeit knapp. Noch in diesem Frühling möchte Premierminister Rishi Sunak das erste Flugzeug mit illegalen Migranten Richtung Ruanda abheben lassen. Sein Minister für illegale Migration, Michael Tomlinson, bat deshalb das Parlament bereits am Montag inständig, das Ausschaffungsgesetz nicht weiter auszubremsen: «Die Vorlage ist einfach. Das Gesetz erklärt Ruanda zu einem sicheren Land. Minister, Gerichte und Behörden haben das Gesetz zu befolgen und illegale Migranten ohne weitere Verzögerungen auszuschaffen.»
Weltraumflug ist günstiger als Ausschaffung nach Ruanda
Mit Ruanda hat die britische Regierung längst alles geregelt. Das ostafrikanische Land übernimmt künftig Bootsflüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder Albanien. Natürlich nicht gratis. Bereits gegen 300 Millionen Franken soll London nach Kigali überwiesen haben. Mittlerweile könne man für weniger Geld Menschen in den Weltraum befördern, meinte der Labour-Abgeordnete Neil Coyle leicht sarkastisch.
Doch es sind nicht allein die immensen Kosten der Vorlage, die im britischen Parlament Widerstand hervorrufen. Viele Abgeordnete stossen sich daran, dass mit dem Ausschaffungsgesetz internationale Menschenrechte und britische Gerichte ausgehebelt werden. Denn unlängst kam das oberste britische Gericht zum Schluss, dass Ruanda für Migrantinnen und Migranten kein sicheres Land sei, weil Kigali kein unabhängiges Asylverfahren garantieren könne.
Grüner Himmel und blaues Gras
Als Reaktion darauf, Ruanda kurzerhand per Gesetz als sicheres Land zu erklären, sei lächerlich, sagte der Abgeordnete Stephen Kinnock. Man könne durchaus ein Gesetz erlassen, dass der Himmel künftig grün und das Gras blau sei. Dies sei jedoch weder klug noch mit einem Rechtsstaat vereinbar. Zweifel gibt es ebenso an der Zweckmässigkeit der Vorlage. Pro Jahr überqueren gegen 40'000 Menschen in Booten den Ärmelkanal. Rund 150'000 Asylgesuche sind bis heute hängig.
Mit enormem Aufwand sollen künftig 150 Menschen nach Ruanda ausgeflogen werden. Es gehe jedoch nicht um die Menge, sondern um Abschreckung, sagt die Regierung. Wenn die Leute wüssten, dass ihre Reise nicht in Grossbritannien, sondern in Afrika enden könnte, würden sich viele sehr gute überlegen, ob sie den Ärmelkanal wirklich überqueren wollen. Die Abgeordneten im britischen Oberhaus liessen sich von dieser Argumentation nicht überzeugen. Sie schickten das Gesetz zur Überarbeitung zurück ins Unterhaus. Aus Frühling könnte Sommer werden. Denn der Ausschaffungsflug bleibt vorderhand am Boden.