Darum geht es: Nach nur zwei Wochen im Amt hat der britische Premierminister Rishi Sunak seinen ersten Skandal – und das erste Kabinettsmitglied verloren. Am Dienstagabend nahm Staatsminister Gavin Williamson, der ohne Ressort am Kabinettstisch gesessen hatte, seinen Hut. Der konservative Abgeordnete war wegen Mobbingvorwürfen unter Druck geraten. Der Abgang beschert seinem Chef jetzt höchst unwillkommene Schlagzeilen.
Das sind die Vorwürfe: Williamson soll sich schon seit Längerem immer wieder äusserst ungehobelt und ordinär gegenüber Parteikolleginnen und Kollegen geäussert haben. «Ihm wird ein rüpelhaftes und rücksichtsloses Verhalten vorgeworfen», sagt SRF-Korrespondent Michael Gerber in London. So soll Williamson schon vor zwei Jahren als Staatssekretär für Bildung ausgerastet sein und einer Untergebenen gesagt haben, sie solle sich die Kehle durchschneiden.
Gavin Williamson wird rüpelhaftes und rücksichtsloses Verhalten vorgeworfen.
Weshalb sein Verhalten erst jetzt Konsequenzen hat: Williamson kam offenbar jahrelang mit seinem unsäglichen Verhalten durch. Doch jetzt, als Minister, stehe er im Schaufenster der Öffentlichkeit und werde genau beobachtet, so Gerber. Es gebe allerdings auch Gerüchte, Williamson sei jetzt aus Unterstützerkreisen von Boris Johnson aufs Korn genommen worden, um Sunak den Start als Premierminister zu erschweren. Doch: «Es ist schwer zu beurteilen, was da dran ist.»
Das wusste Sunak: Der neue Premier soll schon vor der Ernennung von Williamson als Staatsminister von dessen Ausrastern gewusst haben, schreiben die britischen Medien. Allerdings: «Wenn Sunak im Detail von den Vorwürfen gegen Williamson gewusst hätte, hätte er ihn wohl nicht in seine Regierung berufen», glaubt der SRF-Korrespondent. Der Fall Williamson dürfte laut Einschätzung von Gerber für Sunak denn auch «kein riesiges Problem» werden.
Andere Probleme für Sunak: Ein grösseres Problem könnte für den neuen Premier Innenministerin Suella Braverman werden. Sunak hatte sie in seine Regierung berufen, obschon Braverman unter Vorgängerin Liz Truss das Kabinett verlassen musste, weil sie Regierungspapiere über ihren privaten Mailaccount verschickt hatte. «Braverman steht wegen ihrer bornierten, wenig pragmatischen Asylpolitik unter Beschuss», so Gerber. Sie habe eine starke Position im rechten Parteiflügel der konservativen Partei. «Wenn sie zurücktreten müsste, würde Sunak den Rückhalt in diesen Kreisen verlieren.»
So ist Sunak gestartet: Trotz der Misstöne, – was manche Minister Sunaks angeht – der neue Premier hat nach den chaotischen sieben Wochen unter Truss vorerst Ruhe in den britischen Politbetrieb gebracht. So haben sich etwa die Finanzmärkte in den letzten zwei Wochen etwas gefangen, die langfristigen Zinsen sind leicht gefallen.
Wenn Innenministerin Suella Braverman zurücktreten müsste, verlöre Sunak den Rückhalt des rechten Rands seiner Partei.
Das kommt jetzt: «Der eigentliche Stresstest steht Sunak noch bevor», sagt Gerber. In einer Woche muss Sunak seinen Finanzplan vorlegen und darlegen, wie er Einnahmen und Ausgaben wieder ins Lot bringen will. «Er wird sparen und die Steuern erhöhen müssen.» Da sei grösserer Streit – innerhalb der Partei, aber auch mit der Opposition – vorprogrammiert.